Leitsatz (amtlich)

Wird das Verfahren gemäß § 153 Abs. 2 StPO in der Berufungsinstanz eingestellt, kommt ein Entschädigungsanspruch des Beschuldigten nach § 3 StrEG wegen vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis in der 1. Instanz nur dann in Betracht, wenn sich der § 111a- Beschluss als grob unverhältnismäßig oder rechtsmissbräuchlich darstellt.

 

Verfahrensgang

LG Göttingen (Entscheidung vom 05.10.2012)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Göttingen vom 5. Oktober 2012 wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

 

Gründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Dem Beschwerdeführer war vorgeworfen worden, mit seinem Lkw die Bundesstraße B 446 aus Richtung Nörten-Hardenberg kommend befahren zu haben und beim Abbiegen nach links in die Zufahrt zur Firma aus Unachtsamkeit ein aus der Gegenrichtung kommendes Motorrad übersehen zu haben, so dass es zur Kollision gekommen sei, wodurch der Motorradfahrer und seine Sozia nicht unerheblich verletzt worden seien. Anschließend habe der Beschwerdeführer sich in Kenntnis des Unfalls und seiner Beteiligung vom Unfallort entfernt.

Durch Urteil des Amtsgerichts Göttingen vom 31. Januar 2012 wurde der Beschwerdeführer nach Beweisaufnahme wegen fahrlässiger Körperverletzung sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40,- EUR verurteilt. Dem Beschwerdeführer wurde zugleich die Fahrerlaubnis entzogen, der Führerschein eingezogen und eine Sperre für die Wiedererteilung von 10 Monaten angeordnet, nachdem der vorläufige Entzug der Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO bereits mit Beschluss in der Hauptverhandlung ausgesprochen wurde.

Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung ein. Durch Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 13. Februar 2012 wurde auf die Beschwerde des Angeklagten der Beschluss, durch den die Fahrerlaubnis gemäß § 111a StPO vorläufig entzogen worden war, aufgehoben und dem Angeklagten der Führerschein wieder ausgehändigt.

In der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Göttingen am 27. August 2012 wurde das Verfahren gemäß § 153 Abs. 2 StPO im Hinblick auf das Ergebnis eines in der Berufungsinstanz eingeholten Sachverständigengutachtens zum Unfallhergang und das Mitverschulden des Unfallgegners auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, eingestellt.

Unter dem 25. September 2012 beantragte der Beschwerdeführer eine Kostengrundentscheidung nach StrEG. Zur Begründung führt er aus, dass er aufgrund des angeordneten Führerscheinentzugs seinen Arbeitsplatz verloren habe und für sechs Wochen arbeitslos gewesen sei, weshalb ihm der Differenzbetrag zum letzten Bruttogehalt und dem bezogenen Arbeitslosengeld als Entschädigung zustünde.

Durch Beschluss der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Göttingen vom 5. Oktober 2012 ist dieser Antrag abgelehnt worden. Der Beschluss wurde dem Verteidiger am 10. Oktober 2012 zugestellt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde vom 15. Oktober 2012, die am selben Tag bei Gericht einging.

Die Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig hat beantragt,

die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist nach § 8 Abs. 3 S. 1 StrEG statthaft, form- und fristgerecht eingelegt (§§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO) und auch im Übrigen zulässig.

2. Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Im vorliegenden Fall ist die Einstellung des Verfahrens durch das Amtsgericht Göttingen gegen den Beschwerdeführer nach § 153 Abs. 2 StPO erfolgt, so dass sich die Entschädigungspflicht nach § 3 StrEG richtet. Danach kann bei Einstellung des Verfahrens aufgrund einer Ermessensvorschrift Entschädigung gewährt werden, soweit dies nach den Umständen des Falles der Billigkeit entspricht.

Mit seiner Zustimmung zur vorläufigen Verfahrenseinstellung verzichtet der Angeklagte auch nicht konkludent auf etwaige Entschädigungsansprüche. Denn ein Verzicht setzt stets eine eindeutige und unmissverständliche Erklärung des Verzichtenden voraus, dass er sich bestimmter Ansprüche endgültig begebe.

Die nach § 3 StrEG getroffene Ermessensentscheidung des Landgerichts kann von dem Senat als Rechtsmittelgericht nur auf Ermessensfehler überprüft werden (vgl. Dieter Meyer, StrEG, 7. Aufl., § 3 Rn. 47). Das Landgericht hat die von ihm getroffene Ermessensentscheidung jedoch rechtsfehlerfrei begründet.

Die ganz herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur geht davon aus, dass die Billigkeitsentscheidung nach § 3 StrEG nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist und voraussetzt, dass sich der Fall von anderen auffallend abhebt, wobei eine Entschädigung regelmäßig nur dann als billig angesehen werden kann, wenn der Vollzug der vorläufigen Strafverfolgungsmaßnahmen sich zum Zeitpunkt der Einstellung in der Rückschau als grob unverhältnismäßig herausstellt (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 5. Juni 1991 - 1 Ws 73/91, Rn. 7; Hanseatisches Oberlandesg...

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