Entscheidungsstichwort (Thema)

Statthaftigkeit einer Beschwerde des Rechtsanwalts gegen vorläufige Streitwertfestsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 32 Abs. 2 RVG eröffnet dem Rechtsanwalt nicht die Möglichkeit, einen vom Gericht nur vorläufig festgesetzten Streitwert - erst recht nicht eine Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwerts - mit der Beschwerde anzufechten.

2. Die in § 68 Abs. 3 GKG gesetzlich bestimmte Gebührenfreiheit gilt nur für statthafte Verfahren.

 

Normenkette

GKG § 63 Abs. 1-2, § 68 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; RVG § 32 Abs. 2; ZPO § 97 Abs. 1, § 281 Abs. 1, 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Beschluss vom 09.03.2022; Aktenzeichen 5 O 515/22)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 9. März 2022 gegen den Streitwertbeschluss vom 23. Februar 2022 wird als unzulässig verworfen.

2. Die Prozessbevollmächtigten der Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Die Kläger nehmen die Beklagte nach Widerruf auf Rückabwicklung eines mit einem Kraftfahrzeug-Kaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrages in Anspruch und verlangen Rückzahlung von 30.073,91 Euro nebst Zinsen nach Herausgabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeuges sowie Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten.

Das ursprünglich angerufene Landgericht Itzehoe hat die Entscheidung des Rechtsstreits durch Beschluss vom 12. November 2021 dem Einzelrichter übertragen.

Sodann hat sich das Landgericht Itzehoe durch Beschluss vom 23. Februar 2022 gemäß § 281 Abs. 1 ZPO für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Kläger an das Landgericht Braunschweig verwiesen. In diesem Zuge hat es den Streitwert auf 27.897,13 Euro festgesetzt.

Gegen den Streitwertbeschluss haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Schriftsatz vom 9. März 2022 Beschwerde eingelegt und beantragen, den Streitwert auf 30.073,91 Euro festzusetzen. Zwar sei es zutreffend, dass sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der Streitwert bei verbundenen Verträgen nach der Höhe des Nettodarlehensbetrages zuzüglich einer eventuellen Anzahlung bemesse. Der vorliegende Fall sei nach ihrer Ansicht jedoch anders zu bewerten, weil das streitgegenständliche Darlehen bereits abgelöst worden sei. In dieser Konstellation gehörten die zurückgeforderten Zinsen zur Hauptforderung, sodass § 43 Abs. 1 GKG nicht anwendbar sei und der Streitwert durch sämtliche geleisteten Zahlungen bestimmt werde.

Das Landgericht Braunschweig - der Einzelrichter - hat der Beschwerde durch Beschluss vom 15. März 2022 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Der Senat hat mit Verfügung vom 11. Mai 2022 darauf hingewiesen, dass die Beschwerde unzulässig sein dürfte. Von der Gelegenheit zur Stellungnahme haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger keinen Gebrauch gemacht.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Zwar ist die örtliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Braunschweig gegeben.

Nach der Verweisung des Rechtsstreits gemäß § 281 ZPO ist die Festsetzung als eine solche des Landgerichts Braunschweig anzusehen, obwohl der angegriffene Beschluss von dem Landgericht Itzehoe erlassen wurde, welches außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Oberlandesgerichts Braunschweig liegt. Denn nach Verweisung gemäß § 281 ZPO ist über Rechtsbehelfe so zu entscheiden, als stamme die angefochtene Entscheidung vom angewiesenen Gericht (Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 281 Rn. 15a m.w.N.; vgl. für den Fall der Verweisung vom Amtsgericht an das Landgericht: Gerold/Schmidt/Mayer, 25. Aufl. 2021, RVG § 32 Rn. 90).

2. Die Beschwerde ist jedoch unstatthaft.

Bei der Wertfestsetzung in dem angefochtenen Beschluss vom 23. Februar 2022 handelt es sich um eine vorläufige, die der Anfechtung durch Beschwerde entzogen ist.

a) Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Streitwert lediglich vorläufig zur Information der Parteien über die sachliche Zuständigkeit festgesetzt.

Rechtsgrundlage für den Beschluss ist ausdrücklich § 281 Abs. 1 ZPO. Für diesen Fall statuiert das Gesetz keine Verpflichtung des Gerichts zur Wertfestsetzung. Allerdings hat sich mancherorts eine Übung herausgebildet, in dem Verweisungsbeschluss gemäß § 281 Abs. 1 ZPO zugleich zum Streitwert auszuführen. Dies dient jedoch allein der Information der Parteien über die Grundlage der sachlichen Zuständigkeit des jeweiligen Gerichts und hat keinen endgültig bindenden Charakter. Mit anderen Worten: Es handelt sich um die Festsetzung des "Zuständigkeitsstreitwerts", nicht aber um die Festsetzung des "Gebührenstreitwerts" (in diesem Sinne auch: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Mai 2006 - 15 W 21/06 -, Rn. 9 m.w.N., juris; OLG Celle, Beschluss vom 6. August 2012 - 2 W 206/12 -, Rn. 6, juris; vgl. auch Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 1. Februar 2007 - 2 W 80/06 -, Rn. 4, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Juni 2008 - I-24 W 40/08 -, Rn. 4, juris).

An der Unverbindlichkeit der Festsetzung im Hinblick auf den Gebührenstreitwe...

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