Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer wegen Zinsnutzungen (§§ 2020, 2021, 818 Abs. 1 BGB), der auf eine vor dem 1.1.2002 erfolgte Vereinnahmung des Nachlasses gestützt wird, unterliegt der kurzen Verjährung nach § 197 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung (Anschluss an BGH WM 2000, 811, 812; 2014, 1670, dort Rn. 39, 40).

2. In einer solchen Konstellation fallen auch die erst ab dem 1.1.2002 entstandenen Zinsansprüche des Erben in den Anwendungsbereich der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 6 EGBGB (Anschluss an BGHZ 162, 30, Rn. 17; BGH WM 2006, 345, Rn. 12-14 und 2014, 1670, dort Rn. 43; Abgrenzung zu BGH NJW 2016, 156, dort Rn. 16).

3. Zu den Auswirkungen des Gesamtdeckungsprinzips und anderer Vorgaben für die staatliche Haushaltsführung auf die Prüfung und Feststellung eines beim Fiskus angefallenen Nutzungsertrags wegen erwirtschafteter Anlagezinsen oder ersparter Kreditzinsen (Anschluss an BGHZ 158, 1, Rn. 32 und OLG Hamm NJW 2001, 1287, Rn. 11; entgegen BayObLG NJW 1999, 1194, 1195; OLG Köln JurBüro 2001, 312; LG Potsdam NVwZ-RR 2008, 513; LG Münster, Teilurteil vom 09.03.2015 - 11 O 316/14 -, jeweils im Anschluss an Schön NJW 1993, 3289).

4. Zu den Substantiierungsanforderungen an den vom Fiskus erhobenen Einwand der fehlenden Ursächlichkeit der Vereinnahmung des Nachlasses für die Schuldentilgung (vgl. BGHZ 118, 383, 388 f.), weil er die dem Anfall der Erbschaft nachfolgenden - vorzeitigen - Kreditablösungen auch ohne die Vereinnahmung des Nachlasses in vollem Umfang aus anderen im Haushaltsüberschuss vorhandenen Mitteln und insbesondere auch ohne eine zusätzliche Kreditaufnahme hätte bestreiten können.

 

Normenkette

BGB §§ 100, 197 Fassung: 2001-12-31, § 197 Abs. 1-2, § 818 Abs. 1, §§ 2020-2021; EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 1, 4; BayHO Art. 8 Abs. 1, Art. 43 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Urteil vom 09.04.2014; Aktenzeichen 91 O 509/13)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerseite wird das Endurteil des LG Würzburg vom 9.4.2014 abgeändert.

II. Entsprechend seinem Teilanerkenntnis wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerinnen als Gesamtgläubigerinnen weitere 5.500,-- Euro auf die geltend gemachten Zinsnutzungen zu zahlen.

III. Im Übrigen bleibt die Klage hinsichtlich der Zinsnutzungen abgewiesen und wird die weiter gehende Berufung zurückgewiesen.

IV. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerinnen zu gleichen Teilen insgesamt 51 % und der Beklagte 49 %. Von den Kosten des Berufungsrechtszuges entfallen auf die Klägerinnen zu gleichen Teilen insgesamt 92 % und auf den Beklagten 8 %.

Die seit dem Beschluss des BGH vom 10.6.2015 angefallenen Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerinnen - wiederum zu gleichen Teilen - zu 78 % und der Beklagte zu 22 %.

V. Das Urteil vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die klagenden Erbinnen machen gegen den verklagten Freistaat als ehemaligen Erbschaftsbesitzer, der zunächst als gesetzlicher Erbe iSd § 1936 BGB berufen worden war, Herausgabe- und Bereicherungsansprüche geltend.

Die Klägerinnen hatten - soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse den Fiskus im Wege einer Stufenklage vorab auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses einer am 31.01.1980 verstorbenen Verwandten (fortan: Erblasserin) und den Verbleib der Erbschaftsgegenstände sowie auf die Feststellung des Erbgangs nach der Erblasserin einschließlich ihrer eigenen - jeweils hälftigen - Berechtigung als Erbeserben in Anspruch genommen. Nach Erteilung der Auskunft hatten die Klägerinnen ihr - von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärtes Auskunftsbegehren auf einen konkreten Zahlungsantrag umgestellt, mit dem sie nach Bereicherungsgrundsätzen Wertersatz für den nicht mehr vorhandenen Nachlass in Höhe von 57.348,04 EUR zuzüglich jährlicher Zinsen hieraus in Höhe von 4 % seit dem 25.04.1983 - dem (spätesten) Zeitpunkt der Vereinnahmung des Nachlasses durch den Beklagten - verlangt haben. Mit der Zinsforderung wird ausschließlich ein Anspruch auf Erstattung des Werts tatsächlich gezogener Nutzungen, vor allem in der Form "erwirtschafteter oder ersparter (Kredit-)Zinsen", geltend gemacht (Schriftsätze vom 29.08.2013 bzw. vom 14.02.2014 = Bl. 36 ff. bzw. 58 ff.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des sonstigen Sach- und Streitstandes und des Verfahrensgangs in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.

Das LG hat den Feststellungsanträgen umfassend stattgegeben, dem Zahlungsbegehren jedoch nur hinsichtlich der Erstattungsforderung von 57.348,04 EUR hinsichtlich des vereinnahmten Nachlasses entsprochen und die weiter gehende Klage wegen der Zinsnutzungen abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerseite, die nach Erfüllung ihrer Hauptforderung durch den Fiskus am 30.04.2014 den Anspruch hinsichtlich der Zinsnutzungen zunächst unverändert weiterverfolgt und daher beantragt hatte, unter Abänderung des Ersturteils den Bek...

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