Entscheidungsstichwort (Thema)

Coronavirus, SARS-CoV-2, Krankheit, Versicherungsnehmer, Versicherungsschutz, Versicherungsbedingungen, Auslegung, Berufung, Versicherungsfall, Inhaltskontrolle, Versicherer, Versicherung, Zeitpunkt, Berufungsverfahren, Infektionsschutzgesetz, Verweisung, unangemessene Benachteiligung, analoge Anwendung, Zeitpunkt des Vertragsschlusses

 

Verfahrensgang

LG Schweinfurt (Urteil vom 08.02.2021; Aktenzeichen 23 O 538/20)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 08.02.2021, Az. 23 O 538/20 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Schweinfurt sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung für die Zeit vom 18.03.2020 bis zum 17.04.2020.

1. Die Klägerin ist mit der Beklagten über eine "H. Betriebsunterbrechungs- und Mehrkosten-Versicherung" für ihr Hotel mit Restaurant seit 01.01.2018 verbunden (Anl. K1). Gemäß § 12 der Versicherungsbedingungen (Anl. K 2) ist als Unterbrechungsschaden der Betriebsgewinn zu ersetzen, sowie die Kosten, die infolge der Betriebsunterbrechung nicht haben erwirtschaftet werden können und zwar mit einer Tageshöchstentschädigung von 959,- EUR für maximal 30 Schließungstage.

Die geltenden Versicherungsbedingungen (im folgenden: VB) enthalten zudem folgende Klausel:

"§ 1 Gegenstand der Versicherung

Die Versicherung erstreckt sich je nach Vereinbarung auf

1. [...],

2. [...]

3. den Unterbrechungsschaden (§ 2) wegen einer behördlich angeordneten Betriebsschließung (§ 5) auf Grundlage des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Versicherten (Infektionsschutzgesetz - IfSG)."

Außerdem ist in § 5 der VB folgendes geregelt:

"Versicherte Betriebsschließung

1. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)

a) den versicherten Betrieb [...] zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt [...], ...

2. Meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die in den §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger.

3. Der Versicherer haftet nicht

a) bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf;

b) ...

c) ...".

Das Bundesministerium für Gesundheit weitete gemäß Verordnung vom 30.01.2020 (BAnz AT 31.01.2020 V1) mit Wirkung zum 01.02.2020 die Pflicht zur namentlichen Meldung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG auf den Verdacht einer Erkrankung mit COVID-19 aus. Diese Verordnung wurde außer Wirkung gesetzt mit dem am 23.05.2020 in Kraft getretenen Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.05.2020 (Bundesgesetzblatt I, S. 1018). Seit dessen Inkrafttreten am 23.05.2020 ist COVID-19 bzw. SARS-CoV in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. t IfSG bzw. in § 7 Abs. 1 Nr. 44 lit. a IfSG namentlich aufgenommen.

Durch Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 16.03.2020 (mit späterer Verlängerung) wurden Gastronomie- sowie Hotel- und Beherbergungsbetriebe zur Eindämmung des Corona-Virus letztlich bis 10.05.2020 untersagt, wovon auch die Klägerin betroffen war.

Nachdem die Beklagte klägerseits geforderte Versicherungsleistungen für die Betriebsschließung ihres Betriebes mit Schreiben vom 16.04.2020 zunächst zurückgewiesen hatte, blieb auch eine dahingehende anwaltliche Aufforderung der Klägerin vom 30.04.2020 ohne Erfolg.

Erstinstanzlich hat die Klägerin geltend gemacht, ihr sei ein von der Beklagten zu ersetzender Unterbrechungsschaden in Höhe von insgesamt 27.164,70 EUR entstanden, der sich aus einem entgangenen Rohertrag von 17.451,07 EUR und nicht mehr realisierbaren Kosten des Wareneinkaufs von 9.963,63 EUR bei lediglich ersparten Betriebskosten in Höhe von 250,- EUR zusammensetze.

Dieser Schaden sei ihr aufgrund der abgeschlossenen Versicherung zu erstatten, da ihr Betrieb wegen behördlicher Anordnung geschlossen worden sei. Dieser habe mit COVID-19 eine Krankheit zugrunde gelegen, die vom Infektionsschutzgesetz (im folgenden: IfSG) erfasst gewesen sei. Aufgrund der Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 30.01.2020 zähle der Gesetzgeber COVID-19 zu den vom Tatbestand der §§ 6, 7 IfSG erfassten Krankheiten und da die Verordnung auf Grundlage des IfSG ergangen sei, spiele es keine Rolle, dass COVID-19 zunächst nur durch Rechtsverordnung erfasst worden sei.

Außerdem seien die Versicherungsbedingungen gemäß § 305c Abs. 2 BGB so zu verste...

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