Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Tilgungshemmung für Altfälle‚ durch FAER-Neueintragungen

 

Leitsatz (amtlich)

Aus der am Willen des Gesetzgebers orientierten Auslegung der Übergangsregelung des § 65 III Nr. 2 S. 2 StVG n.F. folgt, dass eine Hemmung des Tilgungsablaufs für noch vor dem 01.05.2014 im Verkehrszentralregister (VZR) nach § 28 III StVG a.F. gespeicherte Entscheidungen nicht durch Entscheidungen ausgelöst wird, die erst ab dem 01.05.2015 im Fahreignungsregister (FAER) gespeichert werden.

 

Normenkette

StVG § 65 Abs. 3 Nr. 2; StVO § 3 Abs. 3 Nr. 2; BKatV §§ 1, 3 Abs. 1, § 4 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Das AG hat den Betr. am 22.06.2015 wegen einer am 19.05.2014 fahrlässig außerorts begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 35 km/h zu einer Geldbuße von 240 € verurteilt und gegen ihn wegen des aufgrund seiner Vorahndungen angenommenen beharrlichen Pflichtenverstoßes außerhalb eines Regelfalls i.S.v. § 4 II 2 BKatV ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betr. erwies sich auf die Sachrüge im Rechtsfolgenausspruch als überwiegend erfolgreich und führte zum Wegfall des Fahrverbots.

 

Entscheidungsgründe

I. Die gemäß § 79 I 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat auf die Sachrüge des Betr. insoweit Erfolg, als der Rechtsfolgenausspruch des Urteils keinen Bestand hat. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde jedoch unbegründet (§ 349 II StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG).

1. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen den Schuldspruch richtet, war sie als unbegründet zu verwerfen. Auch ein Verfahrenshindernis besteht nicht. [...]

2. Das angefochtene Urteil hält jedoch in Bezug auf den Rechtsfolgenausspruch einer sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand. [...]

a) Die Rechtsfolgenentscheidung beruht sowohl hinsichtlich der Bemessung der Geldbuße als auch hinsichtlich der Verhängung des Fahrverbotes maßgeblich auf der Verwertung der im Urteil näher mitgeteilten Vorahndungen. Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil [...] mit Ausnahme der letzten Eintragung alle übrigen 6 angeführten Eintragungen am Tag des Erlasses des tatrichterlichen Urteils [...] am 22.06.2015 bereits tilgungsreif waren.

aa) Die Rechtskraft der vom AG bei der Bemessung der Rechtsfolgen als Vorahndungen berücksichtigten Bußgeldentscheidungen Nr. 1 bis 6 datiert vom 13.10.2012, 10.11.2012, 02.02.2013, 15.02.2013, 12.03.2013 und 26.04.2013. Dies hat zur Folge, dass sich nach § 65 III Nr. 2 StVG n.F. die Tilgung dieser Eintragungen nach den Bestimmungen des § 29 StVG in der bis zum 30.04.2014 anwendbaren Fassung richtet.

bb) Grundsätzlich beträgt die Tilgungsfrist bei Entscheidungen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 29 I 2 Nr. 1 StVG a.F. 2 Jahre. Gemäß § 29 IV Nr. 3 StVG a.F. beginnt bei Bußgeldentscheidungen die Tilgungsfrist mit dem Tag der Rechtskraft oder Unanfechtbarkeit der beschwerenden Entscheidung. Für diese vom Tatrichter berücksichtigten Vorahndungen wäre die Tilgungsfrist somit bereits mit Ablauf des 25.04.2015 verstrichen. Sind im Fahreignungsregister jedoch - wie hier - mehrere Entscheidungen nach § 28 III Nrn. 1 bis 9 a.F. StVG über eine Person eingetragen, so ist nach § 29 VI 1 StVG a.F. die Tilgung einer Eintragung vorbehaltlich der Regelung in § 29 VI S. 2 bis 6 StVG a.F. erst zulässig, wenn für alle betreffenden Eintragungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen. Dies war hier zum Entscheidungszeitpunkt am 22.06.2015 allerdings nicht der Fall, da für die seit dem 06.02.2015 rechtskräftige (letzte) Bußgeldentscheidung vom 20.01.2015 noch keine sog. Tilgungsreife eingetreten war.

cc) Jedoch kommt eine Tilgungshemmung durch die unter Nr. 7 erfasste (letzte) Bußgeldentscheidung vom 20.01.2015 vorliegend deshalb nicht in Betracht, weil § 29 VI 2 StVG a.F. lediglich auf vor dem 01.05.2014 erfolgte Eintragungen anwendbar ist (§ 65 III Nr. 2 1 StVG n.F.). Eine Eintragung der erst nach Inkrafttreten der Reform begangenen Tat vom 17.11.2014 konnte den Ablauf der Tilgungsfrist für die vom AG festgestellten Bußgeldentscheidungen Nrn. 1 bis 6 daher nach richtiger Ansicht nicht mehr hemmen (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker StVR 24. Aufl. § 4 StVG Rn. 11 i.V.m. § 29 StVG a.F. Rn. 1 i.V.m. § 29 StVG n.F. Rn. 3; Gübner VRR 2014, 89).

b) Die Einfügung des § 65 III Nr. 2 StVG durch das Änderungsgesetz vom 28.08.2013 zielt nämlich ausweislich der Gesetzesmaterialien darauf ab, die Weiterführung der Tilgungshemmung auf den bei Inkrafttreten der Reform vorhandenen Registerbestand und die bereits ausgelösten Ablaufhemmungen zu beschränken. Eintragungen nach Inkrafttreten der Reform sollen unabhängig von Tattag und Entscheidungsdatum keine Tilgungshemmung mehr auslösen können. Die abzuschaffende Tilgungshemmung soll damit bereits in der Übergangszeit so weit wie möglich reduziert werden (BTDrucks. 17/13452 S. 7; VkBl. 2013, 1155).

aa) Nach dem Wortlaut des § 65 III Nr. 2 StVG kann die Ablaufhemmung des § 29 VI 2 StVG a.F. nicht durch Entscheidungen ausgelöst werden, die ab Inkrafttr...

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