Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfestigte Lebensgemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine fehlende wirtschaftliche Verflechtung der Lebenspartner schließt die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft nicht aus.

Eine verfestigte Lebensgemeinschaft unterscheidet sich von einer losen Beziehung dadurch, dass zwischen den Beteiligten eine innere Bindung entstanden ist, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründet. Dieser rein interne Vorgang muss sich anhand nach außen tretender Umstände objektivieren lassen. Maßgeblich ist das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, durch das der geschiedene Ehegatte zu erkennen gibt, dass er sich aus der nachehelichen Solidarität herausgelöst hat und diese nicht mehr benötigt.

2. Aus einer Unterhaltsvereinbarung, die vorsieht, dass die Verpflichtung zur Zahlung von Nachscheidungsunterhalt mit dem Ende des Monats, in dem der Berechtigte eine neue Ehe eingeht, erlöschen soll, kann nicht geschlossen werden, dass dem Verpflichteten die Berufung auf Verwirkungstatbestände des § 1579 BGB verwehrt sein soll.

 

Normenkette

BGB a.F. § 1579 Nr. 7; BGB n.F. § 1579 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Aschaffenburg (Entscheidung vom 24.07.2007; Aktenzeichen 4 F 1041/06)

 

Gründe

1. Der Senat beabsichtigt die Berufung der Beklagten gem. § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern.

a) Das AG - FamG - Aschaffenburg hat in seinem Urteil vom 24.7.2007 das Bestehen einer verfestigten Lebensgemeinschaft zwischen der Beklagten und dem Zeugen S. fehlerfrei festgestellt (§ 1579 Nr. 7 BGB).

Eine lose Beziehung unterscheidet sich von einer verfestigten Lebensgemeinschaft im Kern dadurch, dass zwischen den Beteiligten eine innere Bindung besteht, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründet (BVerfGG, FamRZ 2004, 1950 ff.). Dieser naturgegebenermaßen rein interne Vorgang muss sich anhand nach außen tretender Umstände, objektivieren lassen (BT-Drucks. 253/06, 35). Maßgeblich ist danach das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit (Palandt/Brudermüller, BGB, 67. Aufl., § 1579 Rz. 37 m.N.) und der Umstand, dass der geschiedene Ehegatte durch die Eingehung einer neuen Lebensgemeinschaft nach außen zu erkennen gibt, dass er sich aus der nachehelichen Solidarität herauslöst und diese nicht mehr benötigt.

Die hierfür erforderlichen Umstände hat das AG fehlerfrei festgestellt und gewürdigt. Der Senat macht sich die Ausführungen des FamG zu eigen und billigt sie. Sie werden auch durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet.

Eine fehlende wirtschaftliche Verflechtung der Lebenspartner schließt die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft nicht aus. Dies gilt gleichermaßen für die Beibehaltung getrennter Wohnungen, wobei dieser Umstand allerdings hier nur geringe Bedeutung hat, nachdem die Wohnung der Beklagten und die des Zeugen S. im Haus der Beklagten unmittelbar übereinander liegen. Auch die Aussage des Zeugen S. vor dem AG führt zu keinem anderen Ergebnis. Er hat die vom Kläger geschilderten äußeren Umstände eingeräumt. Sein Hinweis auf die "68er-Generation" ändert nichts daran, dass die vom FamG festgestellten äußeren Umstände für einen Außenstehenden den Eindruck erwecken, dass die Beklagte und der Zeuge S. in einem Haus wohnen, beide aufgrund ihrer guten wirtschaftlichen Situation hauswirtschaftliche Dienste durch Dritte erledigen lassen und im Übrigen ihre Freizeit wie ein Ehepaar gemeinsam verbringen, wobei sowohl die Beklagte als auch der Zeuge S. in der Familie bzw. der Verwandtschaft des jeweils anderen an die Stelle der früheren Ehepartner getreten sind. Dies begründet den objektivierbaren Eindruck einer verfestigten Lebensgemeinschaft und damit den Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB.

Dadurch wird der Einstieg in die Billigkeitsabwägung des § 1579 BGB eröffnet. Nach den gesamten Umständen ist hier nur der Ausschluss des Unterhaltsanspruchs der Beklagten gerechtfertigt, weil jedes andere Ergebnis grob unbillig wäre.

Die Beklagte hat aufgrund der Scheidungsvereinbarung vom 29.6.1988 mindestens seit 1994 vom Kläger Unterhaltszahlungen vereinnahmt, die über ihren gesetzlichen Unterhaltsansprüchen lagen. Dies hat nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung des Klägers zumindest mit dazu beigetragen, dass er im August 2006 Insolvenz anmelden musste. Bestätigt wird dies durch den Umstand, dass sich die Beklagte in der privatschriftlichen Vereinbarung vom 4.9.2001 bereit gefunden hat, den ihr durch das Urteil des Senats vom 19.7.2001 zuerkannten nachehelichen Unterhalt i.H.v. 2.236,17 EUR auf 1.491,27 EUR zu reduzieren, offensichtlich deshalb, weil sie der Kläger davon überzeugen konnte, dass er zu diesen Zahlungen wirtschaftlich überhaupt nicht in der Lage ist. Der Kläger ist darüber hinaus zum September 2006 krankheitsbedingt (MdE 90 %)...

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