Leitsatz

Kernproblem des Falles war die Frage, ob eine verfestigte Lebensgemeinschaft i.S.d. § 1579 Nr. 7 a.F., 1579 Nr. 2 n.F. BGB auch dann vorliegen kann, wenn nicht von einer wirtschaftlichen Verflechtung der Partner ausgegangen werden kann und sie nicht in einer gemeinsamen Wohnung leben.

 

Sachverhalt

Geschiedene Eheleute stritten um den nachehelichen Unterhalt. Der Kläger vertrat die Auffassung, zur Zahlung nachehelichen Unterhalts nicht mehr verpflichtet zu sein. Die Beklagte hatte aufgrund einer notariellen Scheidungsvereinbarung vom 29.6.1988 mindestens seit dem Jahre 1994 von dem Kläger Unterhaltszahlungen vereinnahmt, die über ihren gesetzlichen Unterhaltsansprüchen lagen. Dies hatte nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung des Klägers zumindest mit dazu beigetragen, dass er im August 2006 Insolvenz anmelden musste. Die Beklagte hatte sich in einer privatschriftlichen Vereinbarung vom 4.9.2001 bereit gefunden, den ihr durch Urteil des OLG vom 19.7.2001 zuerkannten nachehelichen Unterhalt i.H.v. 2.236,17 EUR auf 1.491,27 EUR zu reduzieren. Dies geschah offenbar im Hinblick darauf, dass der Kläger sie davon hatte überzeugen können, dass er zu diesen Zahlungen wirtschaftlich nicht in der Lage war. Seit September 2006 war er krankheitsbedingt in den Altersruhestand eingetreten.

Das erstinstanzliche Gericht gab der Klage in vollem Umfang statt und war von einer verfestigten Lebensgemeinschaft zwischen der Beklagten und ihrem neuen Partner ausgegangen trotz des Umstandes, dass von einer wirtschaftlichen Verflechtung der Partner nicht ausgegangen werden konnte und sie nicht in einer gemeinsamen Wohnung lebten, sondern in einem Haus zwei Wohnungen übereinander hatten.

Die Beklagte legte gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein. Das OLG wies sie darauf hin, dass eine Zurückweisung ihrer Berufung mangels Erfolgsaussicht ihres Rechtsmittels beabsichtigt sei.

 

Entscheidung

Das OLG teilte die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, wonach von einer verfestigten Lebensgemeinschaft zwischen der Beklagten und dem Zeugen S. auszugehen sei.

Eine lose Beziehung unterscheide sich von einer verfestigten Lebensgemeinschaft im Kern dadurch, dass zwischen den Beteiligten eine innere Bindung bestehe, die ein gegenseitiges Einstehen der Parteien für einander begründe (BVerfGG, FamRZ 2004, 1950 ff.). Dieser rein interne Vorgang müsse sich anhand nach außen tretender Umstände objektivieren lassen. Maßgeblich sei danach das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit und der Umstand, dass der geschiedene Ehegatte durch die Eingehung einer neuen Lebensgemeinschaft nach außen zu erkennen gebe, dass er sich aus der nachehelichen Solidarität herauslöse und diese nicht mehr benötige.

Eine fehlende wirtschaftliche Verflechtung der Lebenspartner schließe die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft nicht aus. Dies gelte gleichermaßen für die Beibehaltung getrennter Wohnung, wobei dieser Umstand hier nur geringe Bedeutung habe, da die Wohnungen der Beklagten und des Zeugen S. im Hause der Beklagten unmittelbar übereinander lägen.

Auch die Aussage des Zeugen S. und sein Hinweis auf die "68er-Generation" ändere nichts daran, dass die Beklagte und ihr neuer Partner für einen Außenstehenden den Eindruck erweckten, dass sowohl die Beklagte als auch der Zeuge S. in der Familie bzw. der Verwandtschaft des jeweils anderen an die Stelle der früheren Ehepartner getreten seien. Dies begründe den objektivierbaren Eindruck einer verfestigten Lebensgemeinschaft und damit den Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 7 BGB.

Dem Kläger sei die Berufung auf die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs auch nicht durch den notariellen Vertrag vom 29.6.1988 verwehrt. Dort hatten die Parteien vereinbart, dass die Verpflichtung zur Zahlung von Nachscheidungsunterhalt mit dem Ende des Monats, in dem der Berechtigte eine neue Ehe eingehe, erlöschen solle. Der hieraus von der Beklagten gezogene Schluss, dass es andere Erlöschensgründe ihres Unterhaltsanspruchs nicht geben könne, sei nicht richtig.

Wäre die Auffassung der Beklagten insoweit zutreffend, dürfte sich der Kläger beispielsweise auch nicht auf den Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 2 BGB berufen, wenn sich die Beklagte eines versuchten Tötungsdelikts zu seinem Nachteil schuldig gemacht hätte. Dass dies gewollt gewesen sei, werde von der Beklagten auch ausdrücklich nicht behauptet und sei wenig lebensnah. Der Verwirkungstatbestand nach § 1579 Nr. 7 BGH stehe in der gleichen Reihe wie die anderen Verwirkungstatbestände der bereits erwähnten Vorschrift. Wenn dem Kläger die Berufung auf alle oder einen der Verwirkungstatbestände des § 1579 BGB hätte verwehrt werden sollen, wäre dies nur dann anzunehmen, wenn die Frage in Gesprächen zwischen den Parteien thematisiert worden wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen.

 

Hinweis

Ab 1.1.2008 ist der Begriff der "verfestigten Lebensgemeinschaft" als gesonderte Fallgruppe in § 1579 Nr. 2 BGB n.F. eingeführt worden. Das Gesetz enthält jedoch keine Legaldefinitio...

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