Entscheidungsstichwort (Thema)

Ö;ffentliche Zustellung; Beginn der Fünf-Monatsfrist beim vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren; rechtzeitige Erhebung von Einwendungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Allein eine erfolglose Anfrage des Amtsgerichts beim Einwohnermeldeamt schafft nicht die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 185 Nr. 1 ZPO.

2. Zwar beginnt die Fünf-Monatsfrist des § 63 Abs. 3 S. 2 FamFG in Familienstreitsachen grundsätzlich erst mit Verkündung des Beschlusses (§ 113 Abs. 1 FamFG iVm §§ 329 Abs. 1, 310 f. ZPO) statt mit Erlass des Beschlusses (BGH FamRZ 2015, 839). Dies gilt jedoch nicht für den Festsetzungsbeschluss gem. § 253 FamFG, wenn er gem. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 128 Abs. 4 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergeht. Abzustellen ist hier vielmehr gem. §§ 63 Abs. 3 S. 2, 38 Abs. 3 FamFG auf den Eingang des Beschlusses bei der Geschäftsstelle (= Erlass).

3. Allein die Unterzeichnung des Festsetzungsbeschlusses durch den Rechtspfleger führt noch zu keiner wirksamen Entscheidung. Gemäß § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG ist für den Erlass des Beschlusses nicht auf die Unterschrift, sondern auf die Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle abzustellen.

4. Die Einwendung, die Vaterschaft zwischenzeitlich angefochten zu haben, betrifft nicht die Zulässigkeit des Festsetzungsverfahrens, sondern stellt eine andere Einwendung i.S.d. §§ 252 Abs. 2, 256 Satz 2 FamFG (in der Fassung bis 31.12.2016) dar.

5. Eine Verfügung des Festsetzungsbeschlusses i.S.d. §§ 252 Abs. 3, 256 Satz 2 FamFG (idF bis 31.12.2016) liegt erst dann vor, wenn der Beschluss erstmals aus dem inneren Geschäftsbetrieb des Gerichts hinausgegeben wird.

 

Normenkette

FamFG § 113 Abs. 1; ZPO § 185 Nr. 1; FamFG § 63 Abs. 3 S. 2, § 256 S. 2 Fassung: 2016-12-31

 

Verfahrensgang

AG Aschaffenburg (Aktenzeichen 254 FH 133/16)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Aschaffenburg vom 10.08.2016 (254 FH 133/16) wird als unzulässig verworfen.

2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.030,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit am 10.08.2016 beim Amtsgericht eingegangenem Schreiben hat das Landesamt für Finanzen für den Freistaat Bayern die Festsetzung von auf den Freistaat Bayern übergegangenem rückständigen Kinderunterhalt ab Juli 2016 und von laufendem Kinderunterhalt ab September 2016 begehrt. Mit Verfügung vom 11.08.2016 hat die Rechtspflegerin beim Amtsgericht die Zustellung des Antrags samt entsprechender Hinweise zur zulässigen Erhebung von Einwendungen im vereinfachten Unterhaltsverfahren an den Antragsgegner verfügt. Die Zustellung ist am 17.08.2016 unter der damaligen Anschrift des Antragsgegners in der A.-Str. 10 in ... L. erfolgt. Bereits mit Beschluss vom 10.08.2016 hat die Rechtspflegerin beim Amtsgericht den Unterhalt wie beantragt durch Beschluss festgesetzt. Die Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle erfolgte lt. Erlassvermerk am 30.09.2016.

Der Beschluss konnte dem Antragsgegner unter oben genannter Anschrift am 5.10.2016 nicht zugestellt werden. Die Zustellungsurkunde kam mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" in Rücklauf. Eine Mitteilung hiervon an den Antragsteller ist nicht erfolgt. Eine seitens des Amtsgerichts bei dem Einwohnermeldeamt der Stadt L. durchgeführte Anfrage ergab die Rückantwort, dass der Antragsgegner am 26.08.2016 nach unbekannt abgemeldet worden sei. Daraufhin hat die Rechtspflegerin beim Amtsgericht die öffentliche Zustellung des Beschlusses vom 10.08.2016 angeordnet. Die Anheftung an die Gerichtstafel erfolgt am 09.11.2016, die Abnahme von der Gerichtstafel am 16.12.2016. Mit am 10.03.2017 beim Amtsgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom 08.03.2017 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners unter Angabe des gerichtlichen Aktenzeichens Akteneinsicht begehrt. Diese wurde ihm nachfolgend gewährt. Am 16.03.2016 hat der Antragsgegner den Beschluss vom 10.08.2016 durch seinen Verfahrensbevollmächtigten mitgeteilt bekommen.

Mit am 23.03.2017 eingegangenem Anwaltsschreiben vom 20.03.2017 hat der Antragsgegner beim Amtsgericht - in der angegebenen Reihenfolge - beantragt, "den Unterhalt auf null Euro festzusetzen", hilfsweise "den Unterhaltstitel des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 10.08.2016 dahingehend abzuändern, dass ein Unterhalt nicht mehr geschuldet werde" und "höchst vorsorglich" gegen den Unterhaltstitel Beschwerde eingelegt. Der Antragsgegner macht dabei geltend, dass er Zweifel an seiner Vaterschaft habe.

Der Antragsgegner hat die Vaterschaft zur Urkunde des Landratsamts Aschaffenburg - Amt für Kinder, Jugend und Familie - am ... 2016 anerkannt. Die Kindsmutter hat ihre Zustimmung zur Vaterschaftsanerkennung in derselben Urkunde erklärt.

Mit am 04.05.2017 beim Amtsgericht eingegangenem Anwaltsschreiben vom 02.05.2017 wurde antragsgegnerseits mitgeteilt, dass vorrangig Beschwerde gegen den Beschluss vom 10.08.2016 geführt werde.

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