Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabe fristgebundener Aufforderungen im Rahmen des VKH-Überprüfungsverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die fristgebundene Aufforderung zur Erklärung über eine Veränderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gem. § 120 a Abs. 1 Satz 3 ZPO bedarf in Familienstreitsachen gem. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO der Zustellung.

2. Für die mit einer Frist versehenen Verfügungen im VKH-Überprüfungsverfahren einer "weiteren" (oder "anderen") Familiensache gilt die Bekanntgabevorschrift des § 15 Abs. 2 FamFG.

3. Eine förmliche Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 2. Altern. FamFG bedarf entsprechend den Vorgaben in § 184 Abs. 2 Satz 4 ZPO eines ordnungsgemäßen Aktenvermerks darüber, zu welcher Zeit und unter welcher Anschrift das Schriftstück zur Post gegeben wurde, wobei dieser Vermerk vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle unterschrieben werden muss (BGH FamRZ 2016, 296).

4. Wurde nur die "formlose" Hinausgabe (formlose Mitteilung gem. § 15 Abs. 3 FamFG), nicht aber eine förmliche Bekanntgabe iSd § 15 Abs. 2 FamFG verfügt, fehlt es an einem Willen zur förmlichen Bekanntgabe, weshalb eine Heilung nach §§ 15 Abs. 2 S. 1 FamFG, 189 ZPO ausscheidet.

 

Normenkette

FamFG §§ 15, 76 Abs. 1, § 113 Abs. 1; ZPO § 329 Abs. 2 S. 2, § 120a

 

Verfahrensgang

AG Kulmbach (Aktenzeichen 001 F 129/15)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kulmbach vom 24.05.2019 (1 F 129/15) aufgehoben.

 

Gründe

Mit Beschluss vom 31.03.2015 hat das Amtsgericht dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten bewilligt ohne Anordnung von Zahlungen aus dem Einkommen oder dem Vermögen. Das Verfahren in der Hauptsache ist seit dem 01.06.2015 abgeschlossen. Mit Verfügung vom 07.01.2019, an den Antragsgegner persönlich und seinen Verfahrensbevollmächtigten jeweils formlos mitgeteilt, hat das Amtsgericht den Antragsgegner aufgefordert, binnen einer Frist von drei Wochen seine früheren Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu überprüfen und Veränderungen mitzuteilen sowie Belege beizufügen. Für die geforderte Erklärung wurde auf den Formularzwang hingewiesen. Das amtliche Formular sei auch zu verwenden, wenn sich nichts geändert habe.

Auf die Aufforderung hin ging beim Amtsgericht keine Reaktion seitens des Antragsgegners ein. Das Amtsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 24.05.2019 die dem Antragsgegner bewilligte Verfahrenskostenhilfe aufgehoben. Dieser Beschluss wurde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 03.06.2019 zugestellt. Mit am 03.07.2019 beim Amtsgericht eingegangenem persönlichen Schreiben des Antragsgegners hat Letzterer "Beschwerde" gegen den Beschluss vom 24.05.2019 eingelegt. Er hat geltend gemacht, dass er aufgrund Krankheit nicht in der Lage gewesen sei, Unterlagen zu sammeln und zu übersenden. Mit Verfügung vom 04.07.2019, an den Antragsgegner formlos hinausgegeben, hat das Amtsgericht den Antragsgegner aufgefordert, innerhalb von zwei Wochen die fehlende Erklärung nebst Unterlagen einzureichen. Eine Reaktion seitens des Antragsgegners ist hierauf nicht erfolgt. Das Amtsgericht hat sodann mit Beschluss vom 25.07.2019 dem als sofortige Beschwerde gewerteten Rechtsmittel des Antragsgegners nicht abgeholfen.

II. Die gem. §§ 11 RPflG, 76 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Zwar hat der Antragsgegner nach wie vor keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Überprüfungsverfahren (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 120 a Abs. 1 Satz 3 ZPO) vorgelegt. Die entsprechenden Aufforderungen seitens des Amtsgerichts leiden jedoch an einem erheblichen Verfahrensmangel.

Die fristgebundene Aufforderung zur Erklärung über eine Veränderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gem. § 120 a Abs. 1 Satz 3 ZPO bedarf in Familienstreitsachen gem. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO der Zustellung (OLG Stuttgart FamRZ 2018, 1340; FamRZ 2018, 1013; OLG Karlsruhe FamRZ 2018, 1341 m. w. N.).

Vorliegend betrifft das Hauptsacheverfahren jedoch eine Kindschaftssache, nämlich die elterliche Sorge. Damit liegt in der Hauptsache eine Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit vor (sog. "weitere" oder "andere" Familiensache). Hierauf finden die Vorschriften der ZPO keine Anwendung, soweit nicht in besonderen Vorschriften auf ZPO-Normen verwiesen wird. Dies gilt für den Bereich der Verfahrenskostenhilfe für die §§ 114 ff. ZPO aufgrund der Verweisungsregelung des § 76 Abs. 1 FamFG. Die Vorschriften des Verfahrens erster Instanz bei den Landgerichten und damit auch die Norm des § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO gilt für Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und damit auch in diesbezüglichen VKH-Überprüfungsverfahren (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 120...

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