Leitsatz (amtlich)

§ 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG bildet für die von der Polizei in Bayern im Rahmen des sog. Brückenabstandsmessverfahrens (VAMA) durchgeführten anlassbezogenen Videoaufzeichnungen zur Identifizierung Betroffener eine hinreichende gesetzliche Rechtsgrundlage für damit verbundene Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

 

Verfahrensgang

AG Schweinfurt (Entscheidung vom 31.08.2009)

 

Tenor

I. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Schweinfurt vom 31. August 2009 wird als unbegründet verworfen.

II. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Zur Begründung wird auf die im Ergebnis zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg in ihrer Antragsschrift Bezug genommen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

1. Soweit das Amtsgericht unter Bezugnahme auf den Beschluss des OLG Bamberg vom 18.12.2007 - 3 Ss OWi 1662/07 (= DAR 2008, 98 f. = VRR 2008, 73 f.) bei dem verfahrensgegenständlichen Brückenabstandsmessverfahren davon ausgeht, dass die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens nicht vorliegen, ist dies unzutreffend.

a) Die vom des 3. Senats für Bußgeldsachen in der vorgenannten Entscheidung aufgestellten Anforderungen zur Verwertung von Messergebnissen außerhalb eines standardisierten Messverfahrens sind hier nicht relevant. In diesem Beschluss ist für Tatzeiträume vor dem 05.07.2007 nur deshalb von einem fehlenden standardisierten Messverfahren ausgegangen worden, weil bis zu diesem Zeitpunkt von der bayerischen Polizei entgegen der Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) vom 05.01.1988 statt der in der Bedienungsanleitung genannten JVC-Kameras und einem Verbindungskabel zwischen den Videokameras und einem Videorekorder mit einer Länge zwischen 30 cm bis 2,5 m auch Kameras anderer Hersteller und Kabellängen von mehr als 3 m eingesetzt wurden. Nur auf Grund dieser Abweichungen von der Bauartzulassung konnte daher für Geschwindigkeits- und Abstandsermittlungen vor dem 05.07.2007 nicht mehr von einem standardisierten Messverfahren ausgegangen werden.

b) Wie das Amtsgericht entsprechend dem Messprotokoll vom 05.05.2009 feststellt, wurden bei der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeits- und Abstandsmessung hier aber sowohl eine geeichte Videoanlage mit dem Zeichengenerator JVC/Piller CG-P 50 E/TG-3 als auch eine geeichte Messkamera Panasonic mit Eichgültigkeitsdauer bis Ende 2009 entsprechend dem Eichschein des Eichamts München-Traunstein vom 05.12.2007 eingesetzt. Der verfahrensgegenständlichen Messung lag deshalb eine gültige neue innerstaatliche Bauartzulassung der PTB vom 26.10.2007 zu Grunde, die alle eichtechnisch relevanten Komponenten vom Charaktergenerator mit Stromversorgungseinheit, Messkamera, Anschlussbox, Videomischer und Sinus-Wechselrichter bis hin zu den zugehörigen Verbindungskabeln erfasste und damit nicht mit dem in der Rechtsbeschwerdebegründung angeführten alten PTB-Zulassungsverfahren vom 05.01.1988 vergleichbar ist, das noch in Altverfahren vor dem 05.07.2007 verwendet wurde. Damit erfolgte hier die Geschwindigkeits- und Abstandsmessung mit dem Video-Abstands-Messverfahren VAMA im standardisierten Messverfahren (BGHSt 39, 291/297; OLG Bamberg aaO.; OLG Hamm VRS 106, 466/467; NZV 1994, 120/121; Burhoff Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren 2. Aufl. Rn. 86 m.w.N.). Insoweit greift deshalb der von der Verteidigung ausschließlich erhobene sachlich-rechtliche Einwand nicht durch, die Urteilsfeststellungen seien deshalb lückenhaft, weil der bei der verfahrensgegenständlichen Messung eingesetzte Charaktergenerator mit den verwendeten Videokameras nicht den Anforderungen an ein standardisiertes Messverfahren entspreche.

2. Soweit das Amtsgericht im Hinblick auf den Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11.08.2009 - 2 BvR 941/08 (= NJW 2009, 3293 f. m. Anm. Bull NJW 2009, 3279 ff. = DAR 2009, 577 ff. = ZfSch 2009, 589 ff. m. Anm. Bode = VRR 2009, 354 f. m. Anm. Burhoff) von einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage für die Videoaufzeichnung in § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG und damit von einer Verwertbarkeit der erhobenen Beweise ausgeht, ist dies frei von Rechtsfehlern:

a) Nach den Feststellungen des Amtsgerichts werden bei dem verfahrensgegenständlichen in Bayern eingesetzten Brückenabstandsmessverfahren VAMA drei stationäre Videokameras verwendet. Zwei dieser Videokameras, eine davon mit einem Teleobjektiv ausgestattet, dienen im Dauerbetrieb zur Aufnahme des Fern- und Nahbereichs. Während die Kamera mit dem Teleobjektiv (sog. Telekamera) einen Sichtbereich von über 300 m erfasst, wird mit der zweiten Kamera (sog. Messkamera) die eigentliche Messstrecke zwischen zwei 50 Meter auseinander li...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge