Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch gegen den betreuenden Elternteil auf Überlassung eines Fotos des Kindes für den anderen Elternteil, wenn das Kind dies ablehnt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Inhalt der geschuldeten Auskunft gehört nach herrschender Meinung auch die Überlassung einer Fotografie des gemeinsamen Kindes.

2. Ein "berechtigtes Interesse" an einem Foto ist zweifelsfrei gegeben, wenn der Antragsteller schon seit mehreren Jahren keinen persönlichen Umgang mit dem Kind mehr hatte. Er hat dementsprechend erkennbar keine andere Möglichkeit, sich über die Entwicklung seines Kindes zu informieren.

3. Das Wohl des Kindes ist im Rahmen des § 1686 BGB nicht Maßstab, sondern lediglich Grenze des Auskunftsrechts. Nur wenn und soweit konkrete Umstände dafür sprechen, dass durch die Erfüllung des Auskunftsverlangens das Kindeswohl beeinträchtigt wird, darf die Auskunft verweigert werden.

4. Das dem Antragsteller aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zustehende Elternrecht verdrängt vorliegend das Recht des minderjährigen Kindes am eigenen Bild aus Art. 2 Abs. 1 GG. Auch insoweit ist zu sehen, dass sich der Anspruch aus § 1686 BGB nicht gegen das Kind richtet, sondern gegen den anderen Elternteil. Zum anderen tangiert die Überlassung eines Passfotos erkennbar nicht die Privat- oder Intimsphäre des Kindes.

 

Normenkette

BGB § 1686

 

Verfahrensgang

AG Wunsiedel (Aktenzeichen 51 F 347/21)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wunsiedel vom 16.02.2022 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die seit Juni 2009 geschiedenen Eltern des 17 Jahre alten Kindes L. Zwischen L. und ihrem Vater besteht seit Mitte 2018 kein Kontakt mehr.

Der Antragsteller verlangte in erster Instanz Auskunft über das Kind nach § 1668 BGB. Die Antragsgegnerin war nicht bereit, die geforderte Auskunft zu erteilen. Nach Anhörung der Beteiligten erging am 16.02.2022 folgende Entscheidung:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des gemeinsamen Kindes L., geboren am ... zu erteilen und hierzu jeweils vollständige Kopien des Jahresabschlusszeugnisses für das Schuljahr 2019/2020, des Halbjahreszeugnisses für das Schuljahr 2020/2021, des Jahresabschlusszeugnisses für das Schuljahr 2020/2021, des Berufsausbildungsvertrages für die im September 2021 begonnene Berufsausbildung und der künftigen, bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Kindes erteilten Zeugnisse für das Berufsausbildungsverhältnis sowie ein aktuelles Passfoto des Kindes L., geboren am ... auszuhändigen.

Im Rahmen der Begründung führte das Amtsgericht unter anderem aus:

Historischer Zweck des Auskunftsanspruchs ist es, einem Elternteil, der das Umgangsrecht nicht ausüben kann, die Möglichkeit zu geben, sich fortlaufend vom Wohlergehen und der Entwicklung des Kindes zu überzeugen. Der Anspruch setzt ein berechtigtes Interesse an der Auskunft voraus. Berechtigt ist das Interesse dann, wenn der Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit hat, sich über die Entwicklung und die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu unterrichten. Vorliegend ist das berechtigte Interesse des Antragstellers zu bejahen. Der Anspruch besteht nur dann nicht, soweit die Auskunft dem Wohl des Kindes widerspricht. Mit dieser negativen Kindeswohlprüfung soll missbräuchlichen Ansprüchen entgegengetreten werden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller sein Auskunftsrecht missbraucht, wurden im vorliegenden Verfahren aber weder vorgetragen, noch sind solche ersichtlich. Die Zustimmung des Kindes zur Erteilung der begehrten Auskunft ist grundsätzlich nicht erforderlich. Zu erwähnen ist auch, dass die Auskunft nicht persönlich durch den anderen Elternteil erteilt werden muss, sondern auch über eine Mittelsperson erteilt werden kann. In Summe kann festgestellt werden, dass die begehrte Auskunft dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Ein Anspruch auf Auskunft über die schulischen Leistungen, der auch die Übersendung von Kopien der Zeugnisse umfasst, ist gegeben. Außerdem besteht vorliegend auch ein Anspruch auf Übersendung eines aktuellen Passfotos des Kindes.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gründe der Entscheidung vom 16.02.2022 verwiesen.

Die Antragsgegnerin legte gegen die ihr am 17.02.2022 zugestellte Entscheidung mit Schriftsatz vom 15.03.2022, beim Familiengericht eingegangen am 15.03.2022, Beschwerde ein, mit der sie sich gegen die Verpflichtung zur Aushändigung eines aktuellen Passfotos des Kindes wendet.

Die Kindesmutter bringt vor, dass L. nicht bereit sei, ein Passfoto auszuhändigen bzw. ein solches von sich machen zu lassen. Ein aktuelles Passfoto liege nach ihrer Kenntnis nicht vor. Es sei ihr nicht möglich, das Kind zu zwingen, sich fotografieren zu lassen. Auch sei es ihr...

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