Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostentragung im Erbscheinserteilungsverfahren bei Bestreiten der Urheberschaft des Erblassers für Testament

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Maß des Obsiegens oder Unterliegens stellt lediglich einen von mehreren Gesichtspunkten dar, der in die Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG eingestellt werden kann.

2. In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die ausschließlich auf Antrag eingeleitet werden, gilt nach § 22 Abs. 1 GNotKG der auch sonst maßgebliche Grundsatz, dass der Veranlasser des Verfahrens für die Kosten haftet.

3. Auch bei der Kostentragungspflicht gemäß § 81 FamFG ist diese Wertung des § 22 GNotKG zu berücksichtigen.

4. Soweit sich ein Einwendungsführer ohne eine eigene Antragstellung auf die Darstellung Zweifel an der Echtheit des Testaments begründender objektiver Umstände beschränkt, wird es nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen in Betracht kommen, ihm die Kosten eines Schriftgutachtens aufzuerlegen. Hierfür spricht auch die aus dem Amtsermittlungsgrundsatz folgende umfassende gerichtliche Aufklärungspflicht.

 

Normenkette

FamFG § 81; GNotKG § 22 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Kronach (Aktenzeichen VI 966/20)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts Kronach vom 01.10.2021, Az. VI 966/20, in Ziff. 3 (Kostenentscheidung) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

2. Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, im Beschwerdeverfahren entstandene außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.741,45 Euro festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. 1. Zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen dem 17.12.2020 und dem 21.12.2020 verstarb der am xx.xx.1979 geborene ledige Erblasser. Die Eltern und der einzige Bruder des Erblassers sind vorverstorben, leibliche Abkömmlinge existieren nicht. Hinsichtlich des Verwandtschaftsverhältnisses der Beteiligten zu 1) und 4) - 9) zum Erblasser wird auf die Feststellungen der Rechtspflegerin in der Niederschrift über die Anhörung der Beteiligten zu 2) und 3) am 20.04.2021 verwiesen (Bl. 135 ff. d.A.).

Am 18.01.2021 fand der bestellte Nachlasspfleger im Rahmen einer Haussichtung in einem unverschlossenen Briefumschlag folgendes, am 26.01.2021 eröffnetes Testament auf (Bl. 66 d.A.):

Testament den 13.12.2020

Ich ... ... (EL) möchte nach meinem Tod, dass der Nachlas an ... (E1) u ... (E2) geht

... (Kurzform des Vornamens des EL)

Der Erblasser war des Lesens und Schreibens nur eingeschränkt mächtig. Soweit im Verfahren Schriftproben vorliegen, bestehen diese weitgehend aus einzelnen Wörtern im Rahmen von Notizen und vom Erblasser geleisteten Unterschriften, wobei diese stets in Druckschrift verfasst wurden. In geschäftlichen Belangen und Behördenangelegenheiten wurde der Erblasser im Alltag von der Familie der Beteiligten zu 2) und 3) unterstützt.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben jeweils mit Erklärung vom 01.02.2021 (Bl. 90, 92 d.A.) die Erbschaft angenommen und am 20.04.2021 zu Niederschrift der Rechtspflegerin beim Amtsgericht - Nachlassgericht - die Erteilung eines Erbscheins zu jeweils 1/2 entsprechend dem Testament vom 13.12.2020 beantragt (Bl. 135 ff. d.A.).

Mit Schreiben vom 12.03.2021 (Bl. 121 d.A.) hat die Beteiligte zu 1) Bedenken gegen die Echtheit des Testaments geltend gemacht, die sie mit Schreiben vom 03.05.2021 (Bl. 153 d.A.) ergänzend begründet hat. Ihrer Auffassung nach entspreche das Testament nicht dem ungeübten Schreibstil des Erblassers, was sich auch aus einem Vergleich mit ihr vorliegenden Schriftproben ergebe.

Mit Verfügung vom 11.05.2021 (Bl. 165 d.A.) hat der zur Entscheidung berufene Nachlassrichter festgestellt, dass bei Vergleich des Schriftbildes des Testaments mit den zeitnahen Vergleichsschriftproben eine zweifelsfreie Entscheidung nicht möglich sei. Mit taggleichem Beschluss (Bl. 168 d.A.) hat er die Einholung eines forensischen Schriftvergleichsgutachtens zur eigenhändigen Fertigung des Testaments durch den Erblasser angeordnet, welches am 05.08.2021 durch den Sachverständigen ... erstattet worden ist (Bl. 182 ff. d.A.). Dieser ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das Testament mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vom Erblasser geschrieben worden sei und keine Nachahmung vorliege. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Gutachten Bezug genommen. Für das Gutachten fielen gemäß Rechnung vom 05.08.2021 Kosten in Höhe von 1.741,45 EUR an (Bl. 179 d.A.).

2. Mit Beschluss vom 01.10.2021 (Bl. 217 ff. d.A.) hat das Amtsgericht - Nachlassgericht - sodann die zur Begründung der Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 2) und 3) erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Die Kosten des Verfahrens hat es den Antragstellern auferlegt bis auf die Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens, welche die Beteiligte zu 1) zu tragen hat. Zur Begründung hat das Amtsgericht auf die überzeuge...

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