Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahlrecht von Kläger im Falle subjektiver Klageerweiterung

 

Leitsatz (amtlich)

Das einer Klagepartei gemäß § 35 ZPO zustehende Wahlrecht besteht stets nur zu Beginn eines Rechtsstreits, hingegen entsteht es nicht jedes Mal neu mit jedem Hinzutreten einer weiteren Beklagtenpartei. Dies gilt auch dann, wenn mit der Klageerweiterung die Klage gegen den zuerst Beklagten zurückgenommen wird.

 

Normenkette

ZPO §§ 17, 32, 35, 36 Abs. 1 Nrn. 3, 6, Abs. 2; Zpo § 261 Abs. 3 Nr. 2; ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 5, § 692 Abs. 1 Nr. 1, § 696 Abs. 1, § 700 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Coburg (Beschluss vom 27.06.2018; Aktenzeichen 15 C 28/18)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Coburg.

 

Gründe

I. Die Klägerin nahm zunächst - nach vorgeschaltetem Mahnverfahren - die Beklagte zu 1), bei der es sich um eine Rechtsschutzversicherung handelt, als Versicherungsunternehmen ihres Verkehrsunfallgegners auf Schadensersatz in Höhe von 515,27 Euro in Anspruch. Der Verkehrsunfall hatte sich am xx.xx.2014 in ihrem Wohnort in A., d.h. im Bezirk des Amtsgerichts Lemgo, ereignet. Die Klägerin hatte im Mahnverfahren als Prozessgericht, an das im Falle des Widerspruchs das Verfahren abgegeben werden soll, das Amtsgericht Coburg benannt. Nach Widerspruch wurde der Rechtsstreit antragsgemäß dorthin abgegeben.

In der Anspruchsbegründung beantragte die Klägerin, den Rechtsstreit im schriftlichen Verfahren an das nach § 32 ZPO zuständige Amtsgericht Lemgo zu verweisen.

Das Amtsgericht Coburg wies mit Verfügung vom 23.01.2018 (Bl. 19-20 d.A.) die Klägerin darauf hin, dass sie ihr nach § 35 ZPO zustehendes Wahlrecht bereits ausgeübt habe und für eine Verweisung kein Raum mehr sei.

Nach mehreren Versuchen der Klägerin, die richtige Haftpflichtversicherung zu benennen, erklärte sie mit Anwaltsschriftsatz vom 02.05.2018 (Bl. 41 d.A.), dass sie ihre Klage nunmehr auch gegen die B. als Beklagte zu 2) richte. Nach "Umsetzung" solle die Klage gegen die Beklagte zu 1) zurückgenommen und der Rechtsstreit an das Amtsgericht Lemgo verwiesen werden.

Das Amtsgericht Coburg erweiterte zwar das Rubrum um die Beklagte zu 2), eine Zustellung des Anspruchsbegründungsschriftsatzes an sie erfolgte jedoch bislang nicht.

Mit Verfügung vom 04.06.2018 (Bl. 50 d.A.) leitete das Amtsgericht Coburg die Akten an das Amtsgericht Lemgo zur Abgabe/Übernahme. Es vertrat hierin die Ansicht, dass das Amtsgericht Lemgo durch den Unfallort auch zuständig sei, weil die Klägerin noch vor Rechtshängigkeit der gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Klage das Amtsgericht Lemgo als das für den Rechtsstreit zuständige Gericht ausgewählt habe. Eine bindende Auswahl des Amtsgerichts Coburg sei nicht erfolgt.

Das Amtsgericht Lemgo lehnte mit Verfügung vom 12.06.2018 die Übernahme des Verfahrens ab (Bl. 53 d.A.). Eine Unzuständigkeit des Amtsgerichts Coburg lasse sich nicht feststellen, denn die Beklagte zu 2) habe ihren Sitz ebenfalls in C.

Das Amtsgericht Coburg erklärte sich daraufhin mit Beschluss vom 27.06.2018 für örtlich unzuständig und legte die Verfahrensakten dem Oberlandesgericht Bamberg zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor (Bl. 62 ff. d.A.). Dem klägerischen Antrag auf Abgabe/Verweisung an das Amtsgericht Lemgo sei nachzukommen. Die Klägerin habe für ihre Klage das Amtsgericht Lemgo als Gerichtsstand gewählt.

Die Parteien hatten im Bestimmungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vertritt die Ansicht, dass die Ablehnung der Übernahme des Rechtsstreits durch das Amtsgericht Lemgo unzulässig gewesen sei und bittet um Herbeiführung einer Entscheidung gemäß § 36 Abs. 2 ZPO. Er beantragt, das Amtsgericht Lemgo als zuständiges Gericht zu bestimmen.

II. Der Zuständigkeitsstreit ist in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 ZPO durch das Oberlandesgericht Bamberg zu entscheiden, weil das zu seinem Bezirk gehörende Amtsgericht Coburg zuerst mit der Sache befasst war.

Eine bindende Verweisung durch das Amtsgericht Coburg an das Amtsgericht Lemgo liegt zwar bislang ebenso wenig vor wie eine Unzuständigkeitsentscheidung des Amtsgerichts Lemgo. Stattdessen haben die beteiligten Gerichte lediglich eine Abgabe und eine Ablehnung der Übernahme verfügt.

Doch auch in einem solchen Fall ist in entsprechender Anwendung des § 36 Nr. 6 eine Gerichtsstandsbestimmung zulässig (vgl. BGH MDR 1983, 466). Bei Sachlagen der vorliegenden Art, in denen zwei beteiligte Gerichte bereits klar zum Ausdruck gebracht haben, ihre Unzuständigkeit feststellen und Verweisung und Rückverweisung anordnen zu wollen, erscheint es nach dem Zweck des § 36 Nr. 6 ZPO, langwierige Streitigkeiten der Gerichte über ihre Zuständigkeit zu vermeiden, geboten, in sinngemäßer Anwendung dieser Vorschrift das örtlich zuständige Gericht bereits im derzeitigen Verfahrensstadium zu bestimmen, zumal ohne eine solche Zuständigkeitsbestimmung nicht mit einer baldigen Beilegung des Zuständigkeitsstreits zu rechnen ist (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 36 Rn. 35).

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