Leitsatz (amtlich)

1. Für eine erhöhte Geschäftsgebühr nach Nr. 2504 RVG VV ist von vornherein kein Raum, wenn nur ein einziger Gläubiger vorhanden ist (Fortführung von KG Rpfl. 2008, 647 = JurBüro 2008, 591).

2. Die Voraussetzungen der Nr. 2504 RVG VV sind ebenfalls nicht erfüllt, wenn der Anwalt der Gläubigerseite nur einen sog. starren Nullplan (mit dem Erklärungsgehalt "Ich zahle - jetzt und auch später - nichts!) übermittelt hat.

3. Ein solcher absoluter Nullplan kann im Übrigen auch nicht zulässige Grundlage eines Schuldenbereinigungsverfahrens nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 InsO sein.

 

Normenkette

RVG-VV Nrn. 2501-2503, 2504-2507; InsO § 305 Abs. 1 Nr. 1, § 305 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LG Aschaffenburg (Beschluss vom 09.04.2010; Aktenzeichen 42 T 58/10)

AG Obernburg a.M. (Aktenzeichen 51 UR II 1210/09)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Aschaffenburg vom 9.4.2010 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist eine anwaltliche Verrechnungsstelle, die aus abgetretenem Recht die Festsetzung der im vorliegenden Beratungshilfeverfahren angefallenen Anwaltsvergütung betreibt. Der Mandantin des vergütungsberechtigten Anwalts (künftig: Schuldnerin) war mit Berechtigungsschein vom 25.5.2009 Beratungshilfe für die Angelegenheit "Beratung/Vertretung wegen außergerichtlicher Schuldenbereinigung, ggf. Vorbereitung des Verbraucherinsolvenzverfahrens" bewilligt worden. Der hierauf von der einkommenslosen Schuldnerin eingeschaltete Rechtsanwalt hat für die Verhandlungen mit der Gläubigerseite einen sog. starren "Nullplan" erstellt, der von der einzigen Gläubigerin - einer Privatbank mit einer Forderung über rund 30.500 EUR - sofort abgelehnt wurde.

Die Rechtspflegerin des AG hat als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Anfall der angemeldeten Tätigkeitsgebühr von 224 EUR nach Nr. 2504 RVG VV verneint und deshalb nur eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 RVG VV (zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer) i.H.v. 99,96 EUR in Ansatz gebracht. Auf die Erinnerung der Antragstellerin hat das AG die Vergütung für die anwaltliche Beratungshilfe antragsgemäß auf 290,36 EUR heraufgesetzt.

Die vom AG zugelassene Beschwerde der Staatskasse hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des Festsetzungsbeschlusses der Urkundsbeamtin vom 23.7.2009.

Hiergegen richtet sich die vom LG unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung zugelassene weitere Beschwerde der Antragstellerin, die die Absetzung der Gebühr nach Nr. 2504 RVG VV als rechtsfehlerhaft (§ 33 VI, 2 RVG, § 546 ZPO) rügt.

II. Die weitere Beschwerde ist gem. §§ 56 I und II i.V.m. § 33 VI RVG statthaft und auch sonst zulässig (§ 33 III u. VI, 3 RVG, §§ 546, 567 ff. ZPO). In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg. Denn zu Recht und auch mit zutreffender Begründung ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass sich der hier eingeschaltete Anwalt die Tätigkeitsgebühr nach Nr. 2504 RVG VV (fortan nur: Nr. 2504) nicht verdient hat.

1. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist, wie das LG im Anschluss an KG Rpfl. 2008, 647 zutreffend ausführt, bereits deshalb nicht eröffnet, weil ihr im ersten Absatz der Nr. 2504 umschriebener Grundtatbestand, nämlich eine "Tätigkeit mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern (usw.)", das Bestehen einer Mehrzahl von Gläubigern voraussetzt.

a) Der Gesetzeswortlaut des Grundtatbestandes ist eindeutig und erfordert somit, dass mindestens zwei Gläubiger vorhanden sind. Der sich daraus ergebenden Wortlautgrenze aber kommt bei einem kasuistisch aufgebauten Regelungswerk wie dem Vergütungsverzeichnis des RVG von vornherein besonderes Gewicht zu. Demgegenüber ist die vom AG herausgestellte "offene" Fassung der vorliegend einschlägigen Gebührenbestimmung im zweiten Absatz der Nr. 2504 ("... bei bis zu 5 Gläubigern") von untergeordneter Bedeutung.

b) Die Materialien zum RVG beinhalten keinerlei Hinweis darauf, dass ein im Sinn der Nr. 2504 erhöhter Vergütungsbedarf auch dann besteht, wenn die Schuldnerseite wie hier nur einen einzigen Gläubiger hat. Wie das KG, a.a.O., dort Rz. 3, herausgearbeitet hat, spricht die Entstehungsgeschichte des Gesetzes "eher" für die gegenteilige Auffassung. Danach rechtfertigt sich die Erhöhungsgebühr mit dem zusätzlichen Aufwand, der sich für den Rechtsanwalt daraus ergibt, dass er mit einer Mehrzahl von Gläubigern - dementsprechend erschwerte - Verhandlungen führen muss. Demzufolge bleibt im Rahmen der eindeutigen Wortlautschranke auch der sich aus den Gesetzesmaterialien ergebende Sinn und Zweck einer Erhöhungsgebühr nach Nr. 2504 vollauf gewahrt.

c) Schließlich und insbesondere entspricht dem zwingenden Erfordernis einer Gläubigermehrzahl auch der in der Gesetzessystematik zum Ausdruck kommende Bewertungsmaßstab.

aa) Die Nrn. 2504 - 2507 beinhalten auf die Vertretungstätigkeit im Bereich der Schuldenbereinigung zugeschnittene Sondertatbestände, in denen die allgemeine Grundgebühr der Nr. 2503 von 70 EUR entsprechend der Gläubigerzahl mit eine...

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