Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Unterbringung nach Landesrecht bei einem Sexualstraftäter

 

Leitsatz (redaktionell)

Die anzuwendenden Rechtsnormen des BayStrUBG sind verfassungsgemäß.

Gelangen Sachverständige zum übereinstimmenden Ergebnis, dass beim Betroffenen ein deutlich erhöhtes bzw. ein signifikantes Rückfallrisiko für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und damit verbunden die körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person gegeben ist, ist die nachträgliche Unterbringung gerechtfertigt.

 

Verfahrensgang

LG Bayreuth (Beschluss vom 10.04.2002; Aktenzeichen StVK 88/01)

 

Nachgehend

BVerfG (Urteil vom 10.02.2004; Aktenzeichen 2 BvR 834/02, 2 BvR 1588/02)

 

Gründe

1. Mit Beschluss vom 10.4.2002 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bayreuth die unbefristete Unterbringung des _ in einer Justizvollzugsanstalt gem. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 BayStrUBG angeordnet. Auf die Gründe der Entscheidung wird Bezug genommen (Bl. 112 -. 118 d.A.).

Gegen die an den Betroffenen am 17.04.2002 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 15.04.2002 eingegangene sofortige Beschwerde des Verteidigers des Betroffenen vom 12.04.2002 (Bl. 122 - 129 d.A.).

Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Bambera hat beantragt, die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bayreuth als unbegründet zu verwerfen.

2. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (Art. 3 Abs. 4 S. 2 BayStrUBG) und auch ansonsten zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt wurde (§§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO).

Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Betroffenen in einer Justizvollzugsanstalt gem. Art. 1 S. 1 BayStrUBG liegen vor. Der Senat folgt den diesbezüglichen Ausführungen der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bayreuth uneingeschränkt und schließt sich diesen zur Vermeidung von Wiederholungen an.

Dem Einwand der Verteidigung, beim Betroffenen liege lediglich eine theoretische Gefährlichkeit vor, vermag der Senat nicht zu folgen. Die eindeutigen, zweifelsfreien Darlegungen der Sachverständigen Dr. _ und Dr. _ sprechen gegen diese Einschätzung. Beide Sachverständige gelangen zum übereinstimmenden Ergebnis, dass beim Betroffenen ein deutlich erhöhtes - so Dr. _ - bzw. ein signifikantes - so Dr. _ - Rückfallrisiko für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und damit verbunden die körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person gegeben ist.

Auch der Einwand, dass die besondere Situation, die zu den Straftaten der gegenständlichen Verurteilung geführt habe, einen Rückfall eher ausschließe, greift nicht. Dem steht entgegen, dass .entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen Dr. _ beim Betroffenen Anhaltspunkte für eine Ephebophilie (sexuelles Interesse an Jugendlichen) vorhanden sind. Schon diese birgt die Gefahr in sich, dass sich der Betroffene, auf freiem Fuß belassen, in gleicher Weise, wie in der Vergangenheit geschehen, gegenüber Kindern/Jugendlichen strafbar macht.

Dieser birgt das Risiko, dass er die Grenzen sexuellen Verhaltens verkennt und auch deswegen einschlägig in Erscheinung treten wird.

Den Bedenken der Verteidigung gegen die Verfassungsgemäßheit der anzuwendenden Rechtsnormen des BayStrUBG schließt sich der Senat im Ergebnis nicht an. Zwar weist die Verteidigung zu Recht auf das Spannungsfeld zwischen den Individualrechten des Betroffenen und dem Recht der Allgemeinheit auf Schutz vor gefährlichen Straftätern hin. Diese Konfliktsituation hat das zur Anwendung zu bringende Gesetz in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zugunsten des Schützinteresses der Allgemeinheit gelöst. Der Betroffene hat Einschränkungen seiner Freiheitsrechte hinzunehmen, um das vom Gesetzgeber in § 2 StVollzG normierte Strafvollzugsziel zu erreichen, den Betroffenen also zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Gehört zu dieser Zielerreichung aber eine sozialtherapeutische Behandlung, kann und muss zum einen vom Betroffenen verlangt werden, dass er sich einer solchen unterzieht und kann und muss zum anderen diesem im Falle seiner Weigerung und seiner deswegen nicht beseitigten Gefährlichkeit für die Allgemeinheit seine Freiheit durch eine Unterbringung entzogen werden können.

Auf einen Verstoß gegen den Vertrauensgrundsatz kann sich der Betroffene nicht berufen, weil er auf die Notwendigkeit einer Therapie ausdrücklich schriftlich hingewiesen worden ist. Nicht erforderlich ist, dass dem Betroffenen alle Konsequenzen, also auch die durch das am. 1. Januar 2002 in Kraft getretene BayStrUBG eröffnete Zulässigkeit der Unterbringung, die sich aus seiner Weigerung gegen eine Therapiebehandlung ergeben, vor Augen geführt werden.

Eine Doppelbestrafung liegt nicht vor, weil die Unterbringung des Betroffenen gerade nicht an die von ihm begangenen Straftaten anknüpft, sondern allein auf seine von ihm ausgehende Gefahr der Begehung erheblicher Straftate...

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