Leitsatz

  1. Eingeschränkte Belehrungspflichten des Notars bei Beurkundung eines Wohnungskaufvertrags
  2. Einsichtspflicht nur in das Wohnungsgrundbuchblatt, grundsätzlich jedoch nicht in die Grundakten
  3. Über Wohnungsgröße bzw. Umfang eines Sondereigentums hat sich grds. der Wohnungskäufer selbst zu informieren
 

Normenkette

§§ 17, 21 Beurkundungsgesetz; § 14 Bundesnotarordnung; § 7 Abs. 3 WEG

 

Kommentar

Zum Sachverhalt:

Bei der Beurkundung des Kaufs einer Wohnung gingen alle Beteiligten davon aus, dass zum Kaufgegenstand auch ein Zimmer im über der Wohnung gelegenen Dachgeschoss gehöre, welches nur über eine in der Wohnung vorhandene Treppe erreichbar ist. Der Erwerb der Wohnung erfolgte in dem ungewandelten Altbau im Jahr 1998. 2001 wurde in der Gemeinschaft bekannt, dass der Raum im Dachgeschoss nicht zum Sondereigentum der gekauften Wohnung gehört, sondern Gemeinschaftseigentum ist. Eine Einigung über nachträglichen Sondereigentumserwerb oder die Einräumung eines Sondernutzungsrechts konnte nicht erzielt werden. Die klagenden Wohnungskäufer forderten daraufhin vom Urkundsnotar Schadensersatz in Höhe der berechneten Kaufpreisdifferenz (von 74.000 EUR). Das LG und das KG als Berufungsgericht verneinten einen Schadensersatzanspruch gegen den Notar wegen der vom Kläger behaupteten Amtspflichtverletzung.

Aus den Gründen:

  1. Die Größe einer Wohnung und die als Sondereigentum definierten Gebäudeteile können nur aus der in den Grundakten befindlichen Teilungserklärung und den dazugehörigen Aufteilungsplänen zur Abgeschlossenheitsbescheinigung sicher ermittelt werden. Der beklagte Notar war allerdings nicht zur Überprüfung der Wohnungsgröße und des Umfangs von Sondereigentum durch Einsichtnahme in die Grundakten verpflichtet. Denn diese Beschaffenheitsangabe war weder für die Errichtung einer rechtswirksamen, dem wahren Willen der Beteiligten entsprechenden Urkunde noch für die rechtliche Durchführung des geschlossenen Kaufvertrages erforderlich. Nach § 21 Abs. 1 BeurkG hat sich der Notar bei Geschäften, die im Grundbuch eingetragene oder einzutragende Rechte zum Gegenstand haben, lediglich über den Grundbuchinhalt zu unterrichten. Eine Einsicht in Grundakten wird von dieser Vorschrift nicht geregelt. Es entspricht auch h.M., dass ein Notar grds. nicht verpflichtet ist, neben dem Grundbuchblatt auch die Grundakten einzusehen. Von einer entsprechenden Ausnahme (vgl. BGH, DNotZ 1953, 495) war vorliegend nicht auszugehen, auch nicht von Fällen des § 874 BGB. Beim Erwerb von Wohnungseigentum hat nicht stets eine Einsicht in die Grundakten zu erfolgen, obwohl von den Erleichterungen des § 7 Abs. 3 WEG sowie § 13a BeurkG regelmäßig Gebrauch gemacht wird. Die Einsicht in das Grundbuch hat sich allein auf Tatsachen zu erstrecken, deren Kenntnis zur Erfüllung der Zwecke für das konkrete Geschäft von Bedeutung ist (BGH, NJW 1985, 1226). Vorliegend wollten die Kläger eine konkrete Eigentumswohnung mit entsprechender Nummer nach Teilungserklärung und Aufteilungsplan erwerben und haben diese auch wirksam erworben. Sinn und Zweck des § 21 Abs. 1 BeurkG werden von der konkreten Wohnungsgröße bzw. dem Umfang des Sondereigentums nicht tangiert. Ein Käufer ist auch nicht allein auf den Notar angewiesen, um vom Inhalt der Grundakten Kenntnis zu erlangen; jederzeit kann sich nämlich ein Kaufinteressent ab Eintritt in Kaufvertragsverhandlungen, d.h. bei berechtigtem Interesse im Sinne von § 12 GBO Einsicht verschaffen (über entsprechende Vollmacht des Veräußerers).
  2. Der Notar ist nicht zur Rechtsbelehrung über die konkrete Ausgestaltung des Gegenstands und des Inhalts des Sondereigentums verpflichtet. Er muss auch nicht darauf hinweisen, dass sich Größe und Lage einer Wohnung erst aus den Grundakten sicher feststellen lassen. Nach § 17 Abs. 1 BeurkG hat der Notar allein den Willen der Beteiligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiederzugeben. Bestehen Zweifel, ob das Geschäft dem Gesetz oder dem wahren Willen der Beteiligten entspricht, so hat der Notar die Bedenken mit den Beteiligten zu erörtern. Seine Prüfungs- und Belehrungspflicht soll insoweit gewährleisten, dass er als Amtsperson eine rechtswirksame Urkunde errichtet, die den wahren Willen der Beteiligten wiedergibt (BGH, NJW-RR 1999, 1214). Mögliche Leistungsstörungen und wirtschaftliche Folgen des Rechtsgeschäfts unterfallen nicht seiner Belehrungspflicht. Einzelheiten zum Gegenstand und Inhalt eines Sondereigentums müssen auch nicht in einem Kaufvertrag aufgenommen werden, da sie lediglich die Ausgestaltung des Vertragsobjekts und dessen Beschaffenheit im Sinne eines allein zusätzlichen Identifizierungsbehelfs darstellen (BGH, NJW1994, 1347). Preisbildende und wirtschaftliche Argumente zu einem Wohnungskauf berühren nicht die rechtliche Tragweite des zu beurkundenden Geschäfts, über die ein Notar ohne besonderen Anlass grds. auch nicht ungefragt belehre...

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