In dem vom BGH am 6.5.2015[10] entschiedenen Fall ist der Wert des Nießbrauchs während der Ehezeit nicht – wie es dem "Regelfall" entspricht – aufgrund der abnehmenden Lebenserwartung der Mutter gesunken, sondern hat sich bis zum Stichtag des Endvermögens sogar deutlich erhöht (von 174.631 EUR auf 226.219 EUR).

Zu diesem "Ausnahmefall" hat der BGH[11] ausgeführt:

Zitat

"Der angestiegene Wert des Nießbrauchs beruht jedoch allein auf einem außergewöhnlichen Wertzuwachs, den das Hausanwesen bis zum Ehezeitende erfahren hat. Diese Wertänderung ist kein gleitender Vermögenserwerb und wird daher nicht von § 1374 Abs. 2 BGB erfasst. Sie stellt sich als eine Belastung des Hausanwesens dar, die den Wert der Immobilie mindert und daher auch bei der Berechnung des Endvermögens zu berücksichtigen ist."

Steigt der Wert der Immobilie, erhöht sich "verhältnismäßig" auch die Belastung mit dem Nießbrauch. Dieser Wertzuwachs der Nießbrauchbelastung ist aber – so der BGH – kein privilegierter Erwerb gemäß § 1374 Abs. 2 BGB und kann deshalb nicht dem Anfangsvermögen hinzugerechnet werden.

In den – oben angeführten – Leitsätzen 1 und 2 des Beschlusses vom 6.5.2015[12] hat der BGH zunächst entschieden, dass die Belastung mit einem Nießbrauch oder Wohnrecht – im Regelfall – im Anfangs- und Endvermögen unberücksichtigt bleiben kann.

Sodann hat der BGH jedoch in Leitsatz 3 entschieden:[13]

Zitat

"Ist hingegen der Wert des Nießbrauchs gestiegen, weil das belastete Grundstück im maßgeblichen Zeitraum einen Wertzuwachs (hier: infolge gestiegener Grundstückspreise) erfahren hat, muss der Wert des Nießbrauchs im Anfangs- und Endvermögen eingestellt werden, ohne dass es weiterer Korrekturen des Anfangsvermögens bedarf."

In den Gründen des Beschlusses hat der BGH zu diesem "Ausnahmefall" ausgeführt:

Zitat

"Anders ist allerdings der Fall zu beurteilen, wenn sich im maßgeblichen Zeitraum der Wert des Nießbrauchs nicht wegen des Absinkens der Lebenserwartung des Nießbrauchsberechtigten vermindert hat, sondern aufgrund anderer Umstände, etwa der Wertentwicklung des Grundstücks während der Ehezeit, gestiegen ist. In diesem Fall muss der jeweilige Wert des Nießbrauchs sowohl im Anfangs- als auch im Endvermögen des Zuwendungsempfängers berücksichtigt werden, weil andernfalls dessen Zugewinn zu hoch ausfiele. Der höhere Wert des Nießbrauchs ergibt sich in solchen Fällen aus der erheblichen Steigerung des Grundstückswertes und ist nicht Folge der Schenkung. Die Steigerung des Nießbrauchswertes begrenzt dann lediglich die in den Zugewinnausgleich einzubeziehende erhebliche Wertsteigerung des Grundstücks."

In vielen Gemeinden wird der vom BGH angeführte "Ausnahmefall" allerdings der "Regelfall" sein.

[10] BGH FamRZ 2015, 1268.
[11] BGH FamRZ 2015, 1268 Rn 27.
[12] Nach BGH FamRZ 2015, 1268 Rn 2, 3.
[13] BGH FamRZ 2015, 1268 m. Anm. Münch.

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