Verfahrensgang

VG Lüneburg (Beschluss vom 20.01.2006; Aktenzeichen 3 B 3/06)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 26.01.2006; Aktenzeichen 1 BvQ 3/06)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg – 3. Kammer – vom 20. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,– Euro festgesetzt.

 

Gründe

Mit Schreiben vom 13./16. Januar 2006 meldete der Antragsteller für Sonnabend, den 28. Januar 2006, einen Aufzug mit Kundgebung in Lüneburg unter dem Thema „Keine Demonstrationsverbote – Meinungsfreiheit erkämpfen” in der Zeit von 12.00 bis 18.00 Uhr an. Nach Angaben des Antragstellers werden 200 Teilnehmer erwartet. Mit Verfügung vom 19. Januar 2006 verbot die Stadt Lüneburg – Antragsgegnerin – die geplante Versammlung und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges wurde am 20. Januar 2006 neu gefasst. Der Antragsteller hat am 19. Januar 2006 Klage erhoben (3 A 23/06). Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Januar 2006 abgelehnt. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die von dem Antragsteller dargelegten Gesichtspunkte, die im Beschwerdeverfahren allein zu prüfen sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die auf § 15 Abs. 1 VersG gestützte Verbotsverfügung offensichtlich rechtmäßig ist und an ihrem Sofortvollzug ein besonderes öffentliches Interesse besteht. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Bei Durchführung der angemeldeten Versammlung wäre die öffentliche Ordnung unmittelbar gefährdet. Der geplante Aufzug mit Kundgebungen würde einen Tag nach dem Holocaust-Gedenktag eine nicht hinnehmbare Provokation der grundlegenden sittlichen, sozialen und ethischen Anschauungen der Bevölkerung in Deutschland bedeuten. Der Antragsteller, der als bundesweit agierender Rechtsextremist bekannt sei, und seine Anhänger gehörten zum neonazistischen Spektrum. Die Versammlung habe auch einen rechtsextremen Inhalt. Unter dem Slogan „Keine Demonstrationsverbote – Meinungsfreiheit erkämpfen” gehe es – gleichsam spezifizierend – um das Motto „Weg mit § 130 StGB”. Dies sei von der Antragsgegnerin in der Verbotsverfügung unter Hinweis auf verschiedene Internetseiten im einzelnen belegt worden. § 130 StGB stelle die Volksverhetzung unter Strafe. Durch die Forderung nach Abschaffung dieser Vorschrift solle der Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft der Weg bereitet und so der öffentliche Frieden in der Gesellschaft gefährdet und gestört werden. Dies sei in direktem Anschluss an den 27. Januar als besonderem Feiertag, der der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust diene, nicht hinnehmbar. Des weiteren habe der 28. Januar auch schon einen zeitlichen Bezug zu dem ebenfalls nationalsozialistisch besetzten 30. Januar. Jedenfalls sei eine Ausstrahlung des 27. Januar auf den nächsten Tag mit der Folge, dass Versammlungen von Rechtsextremisten eine die öffentliche Ordnung störende Provokationswirkung hätten, im vorliegenden Fall auch deshalb anzunehmen, weil in Lüneburg am 28. Januar besondere Veranstaltungen stattfänden, die in würdevoller Weise mit dem Holocaust-Gedenktag des 27. Januar verbunden seien. Demgegenüber seien Auflagen hier nicht geeignet, die Gefährdung und Störung der öffentlichen Ordnung auszuschließen oder erheblich zu vermindern. Entscheidend sei, dass der Antragsteller und seine Anhänger als Mitglieder des rechtsextremen Spektrums eine Veranstaltung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Holocaust-Gedenktag veranstalten wollten. Eine derartige Entscheidung sei vom Selbststimmungsrecht des Veranstalters umfasst, so dass weder die Versammlungsbehörde noch das Gericht ihm die Möglichkeit nehmen könnten, selbst einen anderen Versammlungszeitpunkt auszuwählen.

Diese Begründung des Verwaltungsgerichts macht sich der Senat im wesentlichen zu eigen (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Die Einwände des Antragstellers im Beschwerdeverfahren vermögen eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen.

Der Antragsteller begründet seine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses vor allem damit, dass dieser von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (wie etwa Beschl. v. 14.5.1985, BVerfGE 69, 315, 353; Beschl. v. 1.5.2001, DVBl. 2001, 1134) abweiche. Danach sei eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung regelmäßig kein Grund für ein Versammlungsverbot nach § 15 Abs. 1 VersG; vielmehr sei ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit erforderlich. Des weiteren habe sich das Verwaltungsgericht zu Unrecht auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Januar 2001 – 1 BvQ 9/01 – (NJW 2001, 1409, 1410) berufen. ...

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