Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 09.09.1995; Aktenzeichen 1 BvR 1001/88)

 

Tenor

Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.

 

Tatbestand

Streitig ist nur noch, ob Unterhaltszahlungen an bei der geschiedenen Ehefrau lebende Kinder steuermindernd zu berücksichtigen sind.

Der Kläger ist geschieden und in zweiter Ehe verheiratet. Er leistete an seine beiden Kinder aus erster Ehe Unterhaltszahlungen von … und überließ ihnen gleichzeitig seinen halben Miteigentumsanteil an der früheren Familienwohnung zur gemeinsamen Nutzung mit der geschiedenen Ehefrau mit einem vom Kläger bezifferten Nutzungswert von … M. In ihrer Einkommensteuererklärung 1984 machten die Kläger diese Aufwendungen einkommensteuermindernd geltend. Das Finanzamt (FA) ließ aufgrund der bestehenden gesetzlichen Regelungen lediglich zwei halbe Kinderfreibeträge in Höhe von 432 DM und den Freibetrag von 1.200 DM gemäß § 33 a Abs. 1 Nr. 1 a EStG zum Abzug zu. Hiergegen richtet sich mit Zustimmung des FA die vorliegende Sprungklage, die wie folgt begründet wird:

Die Unterhaltsleistungen an die Kinder seien in Höhe der Sozialhilfesätze von 7.680 DM zuzüglich der Mietanteile für die überlassene Wohnung in Höhe von … steuerlich abzusetzen. Die gesetzliche Beschränkung der Abziehbarkeit von Unterhaltsleistungen sei verfassungswidrig, weil sie gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verstoße. Im Streitfall werde der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit außer acht gelassen, wenn lediglich DM steuermindernd berücksichtigt würden.

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des Steuerbescheids vom … die Einkommensteuer 1984 so weit herabzusetzen, wie sie sich bei einem zu versteuernden Einkommen von … ergibt.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Einkommensteuerveranlagung 1984 entspreche geltendem Recht. Die Leistungsfähigkeit des Klägers werde durch die Unterhaltsleistungen nicht beeinträchtigt. Nach dem Bundessozialhilfegesetz stünden der Ehefrau aus erster Ehe und ihren Kindern eine Sozialhilfe von 11.766 DM zu. Mit den gewährten Beträgen von 9.000 DM nach § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG, den Kinderfreibeträgen und dem Kontaktfreibetrag würden insgesamt … steuerlich berücksichtigt. Das sei nicht realitätsfremd.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungklage hat keinen Erfolg. Der begehrte Steuerabzug von Unterhaltsleistungen in Höhe von 10.740 DM konnte den Klägern nicht gewährt werden.

Durch den Unterhalt von Kindern veranlaßte Aufwendungen werden derzeit durch den Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 8 EStG i.V. mit den Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz berücksichtigt. Aus dem Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit folgt nicht bindend die Verpflichtung des Gesetzgebers, die tatsächlichen Unterhaltsleistungen steuerlich zum Abzug zuzulassen. Bei der Frage, wie die Minderung der Leistungsfähigkeit einkommensteuerlich zu berücksichtigen ist, hat der Gesetzgeber einen weitgehenden Gestaltungsspielraum, der ihn berechtigt, sozial- oder gesellschaftspolitische Erwägungen in seine Entscheidung mit einzubeziehen. Zur reinen Verwirklichung des Prinzips nach der Leistungsfähigkeit ist er nicht verpflichtet – vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 1977, BStBl II 1978, 174, 182. Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 1984, BStBl II 1984, 357, 360, ist der Gesetzgeber nur aufgefordert, für die steuerliche Berücksichtigung zwingender Unterhaltsverpflichtungen keine realitätsfremden Grenzen zu ziehen. Diese sind im Streitfall nicht verletzt.

Der Senat geht davon aus, daß Unterhaltsverpflichtete entsprechend ihrer steuerlichen Leistungsfähigkeit einen Teil der Unterhaltsleistungen selbst zu tragen haben. Dies gilt um so mehr, wenn der Steuerpflichtige – wie im Streitfall der Kläger – ein hohes Einkommen bezieht. Angesichts eines zu versteuernden Einkommens von … gebietet es der Grundsatz der Steuergerechtigkeit nicht, dem Kläger über die ihm gewährte steuerliche Entlastung hinaus weitere Abzugsmöglichkeiten für Unterhaltsleistungen zu eröffnen. Es ist ihm entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zuzumuten, den größten Teil der Aufwendungen von … selbst zu tragen. Der Kläger wird nicht wesentlich schlechter gestellt als verheiratete Eheleute, die ihren Kindern im gemeinsamen Haushalt Unterhalt gewähren. Die von den Klägern gegen die Steuerfestsetzung vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken greifen daher nicht durch.

Die Klage mußte daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abgewiesen werden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1644436

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