Rz. 20

Zum 1.1.2018 ist die beschränkte Gütergemeinschaft Gesetz geworden.[21] Dies bedeutet, dass das Vermögen und die Schulden, die die Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung hatten, auch nach der Eheschließung Privatvermögen und Privatschulden bleiben. Die beschränkte Gütergemeinschaft besteht aus den Vermögenswerten, die die Ehegatten während der Ehe erworben haben, es sei denn, dass sie ein anderes System gewählt haben. Auch gemeinschaftliche Vermögenswerte, die die Partner schon vor der Ehe hatten, werden Teil der Gütergemeinschaft. Erbschaften und Schenkungen, die einer der Ehegatten erhält, fallen nicht (mehr) in die (beschränkte) Gemeinschaft, es sei denn, der Erblasser/Schenker hat bestimmt, dass das Vererbte oder die Schenkung in die Gütergemeinschaft fallen soll (insluitingsclausule). Wenn die Ehegatten ein anderes güterrechtliches System wählen, können sie zusammen beim Notar einen Ehevertrag abfassen lassen.

 

Rz. 21

Welcher Teil des Vermögens wessen Eigentum ist, zeigt sich erst im Augenblick der Auflösung der Gütergemeinschaft (ontbinding van de gemeenschap, Art. 1:99 BW), bspw. wenn einer der beiden Ehepartner stirbt. Dann wird das Vermögen in zwei gleiche Teile geteilt: Der überlebende Ehegatte erhält die Hälfte der Aktiva und Passiva, während die andere Hälfte als Erbschaft des verstorbenen Ehegatten den Erben zugutekommt. Es spielt hierbei keine Rolle, wie viel jeder der Ehepartner eingebracht hat, auch dann nicht, wenn der andere nur Schulden hat bzw. hatte.

 

Rz. 22

Trotz des umfassenden Charakters der allgemeinen Gütergemeinschaft können Aktiva und Passiva von der Gemeinschaft ausgenommen sein. Ein Dritter kann testamentarisch verfügen oder anlässlich einer Schenkung an einen Ehegatten bestimmen, dass ein bestimmtes Gut Eigentum eines Ehegatten bleiben soll (sog. uitsluitingsclausule, Ausschlussklausel, eine Art Vorbehaltsgut). Des Weiteren ordnet das Gesetz an, dass sog. bijzonder verknochte Güter und die damit zusammenhängenden Schulden außerhalb der Gemeinschaft bleiben. Es handelt sich dabei um jene Güter und Schulden, also Aktiva und Passiva, die mit einem Ehegatten "besonders verbunden" sind und deshalb – sofern erforderlich – außerhalb der Gemeinschaft bleiben. Auch hinsichtlich des Rechts auf eine Alterspension wird im Prinzip eine solche Verbundenheit mit dem Anspruchsberechtigten angenommen. In einer wichtigen Entscheidung (die sog. Boon-Van-Loon-Entscheidung) hat der Hoge Raad[22] diese Auffassung präzisiert: Pensionsansprüche (nicht solche nach AOW[23] oder ANWW[24]) fallen in die Gütergemeinschaft. Eine besondere Verbundenheit liegt nur insoweit vor, als Pensionsansprüche sich ihrer Art nach nicht dazu eignen, einer anderen Person als den Anspruchsberechtigten zugeteilt zu werden, sie sind jedoch bei der Güterverteilung zu berücksichtigen. Aus Anlass dieser Entscheidung hat der Gesetzgeber die Wet Pensioenverevening[25] eingeführt, die im Prinzip für alle Ehen gilt, die seit dem 1.5.1995 geschieden sind.[26]

 

Rz. 23

Wenngleich die eingebrachten Vermögensmassen wirtschaftlich betrachtet zu einem Ganzen zusammenschmelzen, und beide Ehegatten Eigentümer der darin enthaltenen Vermögensgegenstände sind, behält jeder Ehegatte über die gemeinschaftlichen Vermögensgegenstände, die persönlich auf den Namen dieses Ehegatten lauten, die Verfügungsgewalt (Art. 1:90 und 97 BW). Für Güter, die nicht persönlich auf den Namen eines Ehegatten lauten, ist jeder der Ehegatten verfügungsbefugt, wobei nicht relevant ist, welcher der Ehegatten das Gut bekommen hat. Dies ist anders, wenn es sich um Vermögen handelt, das ein Ehegatte im Wege des Erbrechts erhalten hat oder als Schenkung (Art. 1:97 Abs. 1 BW). Über dieses Vermögen ist der Erbe/beschenkte Ehegatte verfügungsbefugt. Ehegatten können allerdings ihre Verfügungsgewalt temporär oder über richterliche Anordnung an den anderen Ehegatten übertragen (overlaten van bestuur bzw. bestuursoverdracht). Dritte können dies nicht immer erkennen, weshalb sie bei gutem Glauben geschützt werden. Ist für einen Dritten nicht ohne weiteres erkennbar, welcher Ehegatte über eine bewegliche Sache, die nicht registriert ist, verfügungsbefugt ist, darf er den Besitzer für verfügungsbefugt halten (Art. 1:92 Abs. 1 BW).

 

Rz. 24

Bei in allgemeiner Gütergemeinschaft verheirateten Ehegatten stellt sich die Haftungsfrage für eingegangene Schulden nicht. Die Gläubiger können auf das gemeinschaftliche Vermögen zugreifen. Anders ist die Rechtslage, wenn einer oder beide Ehegatten neben der Gütergemeinschaft privates Vermögen hat, denn dann liegen zwei oder drei Vermögensmassen vor. Bei bestehender Gütergemeinschaft kann ein Gemeinschaftsgläubiger sowohl auf das Gemeinschaftsvermögen als auch auf das private Vermögen eines Ehegatten, der die Schuld aufgenommen hatte, zugreifen (Art. 1:96 BW, Art. 3:276 BW), allerdings nicht auf das private Vermögen des anderen Ehegatten. Sog. Haushaltsgläubiger (Art. 1:85 BW) können allerdings immer auf alle drei Vermögensmassen zugreifen.

 

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