Rz. 23

Haftungsfreizeichnungen für Pflichtverletzungen, die auf einfacher Fahrlässigkeit beruhen, werden – mit Ausnahme der Freizeichnung für die schuldhafte Verursachung von Körperschäden – nicht vom Klauselverbot des § 309 Nr. 7 BGB erfasst. Allerdings ist unabhängig von der Anwendbarkeit des § 309 Nr. 7 BGB zu prüfen, ob eine Haftungsfreizeichnung für einfache Fahrlässigkeit die Verwendergegenseite entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und somit nach § 307 BGB unwirksam ist.

 

Rz. 24

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist von einer unangemessenen Benachteiligung der Verwendergegenseite dann auszugehen, wenn der Klauselverwender seine Haftung für die schuldhafte Verletzung wesentlicher Vertragspflichten (sog. "Kardinalpflichten"[44]) ausschließt oder dergestalt beschränkt, dass dadurch die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird.[45] Der BGH stellt insoweit auf den Wortlaut des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ab. Als wesentliche Vertragspflichten sieht der BGH solche Pflichten an, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Vertragspartner vertraut und auch vertrauen darf[46] (siehe dazu Stichwort "Freizeichnungsklauseln" Rdn 951).

 

Rz. 25

Aus dem vorstehend Gesagten ergibt sich, dass ein vollständiger Ausschluss der Haftung für die Verletzung wesentlicher Vertragspflichten bereits bei einfacher Fahrlässigkeit gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB verstößt. Auch eine Begrenzung der Haftung ist nur in begrenztem Maße möglich. Für eine Verletzung wesentlicher Vertragspflichten, die auf einfacher Fahrlässigkeit beruht, kann der Verwender seine Ersatzpflicht nur auf den vertragstypisch vorhersehbaren Schaden begrenzen.[47] Hierzu zählen im Regelfall sämtliche Schadenspositionen, es sei denn, es verwirklichen sich nicht vorhersehbare Exzessrisiken[48] bzw. ungewöhnliche Schadenskonstellationen.[49] Weitere Einzelheiten hierzu siehe Stichwort "Freizeichnungsklauseln" Rdn 953 ff.)

 

Rz. 26

Festzuhalten bleibt, dass ein vollständiger Ausschluss der Haftung für einfache Fahrlässigkeit in AGB nur wirksam vorgenommen werden kann, wenn keine wesentlichen Vertragspflichten betroffen sind. In diesem Fall können auch Haftungsbegrenzungen wirksam vereinbart werden.

[44] Der Begriff "Kardinalpflichten" ist seit BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 = NJW-RR 2005, 1496 ("Honda-Urteil") Gegenstand einer lebhaften Kontroverse im Schrifttum: siehe nur Berger/Kleine, NJW 2007, 3526, 3527; Kappus, NJW 2006, 15; Kollmann, NJOZ 2011, 625, 626 f.; Ostendorf, ZGS 2006, 222; v. Westphalen, NJW 2006, 2228, 2232.
[45] BGH, Urt. v. 11.11.1992 – VIII ZR 238/91, NJW 1993, 335; BGH, Urt. v. 9.11.1989 – IX ZR 269/87, NJW 1990, 761, 764; BGH, Urt. v. 23.2.1984 – VII ZR 274/82, NJW 1985, 3016, 3017; BGH, Urt. v. 19.4.1978 – VIII ZR 39/77, NJW 1978, 1430, 1431.
[46] Siehe nur BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11, 36 = NJW-RR 2005, 1496, 1505 m.w.N.
[48] v. Westphalen/v. Westphalen, Freizeichnungs- und Haftungsbegrenzungsklauseln Rn 124.
[49] UBH/Christensen, § 309 Nr. 7 Rn 39.

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