Leitsatz

  1. Nichtige Beschlussfassung zur Änderung eines vereinbarten Kostenverteilungsschlüssels (hier: Instandhaltung und Instandsetzung von Fenstergemeinschaftseigentum)
  2. Erfordernisse an langjährig abweichende Praxis
 

Normenkette

§§ 5, 16, 21, 23 WEG a. F.

 

Kommentar

  1. Ein Eigentümerbeschluss ist nichtig, soweit er die Kosten für die Instandsetzung von Fenstern im Bereich der Wohnungen abweichend vom vereinbarten Kostenverteilungsschlüssel "auch zukünftig" dem einzelnen Wohnungseigentümer auferlegt. Insoweit besitzt die Gemeinschaft keine Beschlusskompetenz für die Abänderung eines vereinbarten Kostenverteilungsschlüssels (vgl. BGH v. 20.9.2000, V ZB 58/99, NJW 2000, 3500).
  2. Fenster einer Wohnanlage gehören zum Gemeinschaftseigentum, da sie das äußere Bild des Gebäudes bestimmen. Dies gilt sowohl für die Innen- und Außenseiten als auch für die Verglasung sowie die Fensterrahmen (h. M.). Vorliegend bestand im Teilungsvertrag mit Gemeinschaftsordnung keine vom Gesetz abweichende Regelung zur Instandhaltung und Instandsetzung von Fenstern. Auch war keine sog. Öffnungsklausel vereinbart.
  3. Aus einem Kostenverteilungsänderungsbeschluss kann sich zwar in Einzelfällen eine schützenswerte Rechtsposition ergeben. Zu einer Gültigkeit eines nichtigen Beschlusses "für die Zukunft" führt dies jedoch nicht.
  4. Vorliegend wurde auch keine zumindest schuldrechtliche Vereinbarung aller Eigentümer getroffen, welche grds. formlos durch schlüssiges Verhalten möglich wäre. An schlüssige Vereinbarungen sind strenge Anforderungen zu stellen; nicht jede langjährige Übung stellt eine konkludente Vereinbarung dar. Entscheidend ist, ob die Wohnungseigentümer bewusst eine dauerhafte Regelung schaffen bzw. dauerhaft eine Änderung herbeiführen wollten. Dafür muss feststehen, dass sämtliche Wohnungseigentümer eine jahrelange Praxis in dem Bewusstsein vornehmen, die bisherige Regelung ändern oder durch eine neue ersetzen zu wollen. Die entsprechend zu ändernde Vereinbarung muss den Eigentümern dabei positiv bekannt sein. Im bloßen Dulden von Verstößen gegen bestehende Regelungen ist eine Vereinbarung nicht zu sehen.
  5. Auch aus der Tatsache, dass im vorliegenden Fall ein Drittel der Eigentümer ihre Fenster bereits auf eigene Kosten ausgetauscht hat, kann nicht auf das Einverständnis aller Eigentümer geschlossen werden, es gleichfalls für immer so handhaben zu wollen. Alleine der fehlende Widerspruch zur bisherigen Praxis beinhaltet keine Willenserklärung.
  6. Selbst wenn ein Anspruch auf Abänderung des vereinbarten Kostenverteilungsschlüssels denkbar wäre, könnte er – selbst bei Bestehen – nicht einredeweise für die Zeit vor Abschluss der Vereinbarung geltend gemacht werden.
 

Link zur Entscheidung

OLG München, Beschluss vom 23.08.2006, 34 Wx 090/06, ZMR 12/2006, 952

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge