Leitsatz

Fehlt in einem Erbvertrag eine Ersatzerbenbestimmung, so kommt es bei vorzeitigem Wegfall eines Schlusserben nicht zur Anwachsung, sondern es ist zunächst der mutmaßliche Wille der Vertragsparteien zu ermitteln. Der Annahme, dass Abkömmlinge des weggefallenen Schlusserben zu Ersatzerben bestimmt worden wären, steht es nicht entgegen, dass die Eheleute eine Abänderungsklausel zu Gunsten des Überlebenden vorgesehen haben, auch wenn der Überlebende selbst keine weitere letztwillige Verfügung mehr getroffen hat.

 

Sachverhalt

Die Erblasserin hat keine Kinder. Ihr vorverstorbener Ehemann hatte Abkömmlinge aus einer vorangegangenen Ehe. Mit Erbvertrag setzten sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben ein und zu Erben des Überlebenden sowie im Falle gleichzeitigen Versterbens je zur Hälfte die Enkelin des Ehemannes und den Neffen der Erblasserin. Der Überlebende sollte zur Abänderung dieser Schlusserbeneinsetzung berechtigt sein. Der Neffe der Erblasserin war im Zeitpunkt des Erbfalls verstorben. Er hinterlässt zwei Kinder. Die Enkelin des Ehemannes beantragte einen Erbschein als Alleinerbin. Hiergegen wenden sich die Kinder des Neffen der Ehefrau, die der Ansicht sind, auch ohne ausdrückliche Ersatzerbenbestimmung nach dem Willen der Erblasser zu Ersatzerben bestimmt zu sein.

 

Entscheidung

Weder die im Erbvertrag enthaltene Regelung, dass der überlebende Ehegatte zur Abänderung der Schlusserbeneinsetzung berechtigt ist, noch das Fehlen einer ausdrücklichen Ersatzerbenbestimmung in dem notariell beurkundeten Erbvertrag stehen einer ergänzenden Auslegung entgegen. Die Schlusserbeneinsetzung ist eine vertragsmäßige Verfügung, anhand derer der erklärte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien nach §§ 133, 157 BGB ermittelt werden kann.

Da nach § 2099 BGB das Recht des Ersatzerben der Anwachsung vorgeht, ist zunächst zu prüfen, ob Ersatzerben nach § 2096 BGB bestimmt sind. Ist eine Person eingesetzt, die nicht zum Kreis der Abkömmlinge gehört, so kann die Auslegungsregel des § 2069 BGB analog nicht angewandt werden. Vielmehr ist zu ermitteln, ob die Möglichkeit eines vorzeitigen Wegfalls eingesetzter Erben bedacht wurde und was für diesen Fall wirklich oder mutmaßlich gewollt worden wäre.

Da die eingesetzten Schlusserben im Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages noch sehr jung waren, ist nicht davon auszugehen, dass die Erblasser das Problem des vorzeitigen Wegfalls eines Schlusserben gesehen haben. Es gibt andererseits aber auch keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, dass die Erblasser nach eingehender Beratung durch den Notar die Aufnahme einer Ersatzschlusserbenbestimmung in die Urkunde bewusst abgelehnt hätten. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass die Erblasser mit der Einsetzung Verwandter sowohl des Ehemannes als auch der Ehefrau den jeweiligen Stamm bedenken wollten. Die in den Erbvertrag aufgenommene Abänderungsklausel ändert für sich genommen nichts an den gemeinsam getroffenen Überlegungen der Parteien.

Der Neffe der Erblasserin war ihr einziger naher Verwandter, zu dem sie ein stets gutes Verhältnis hatte. Sie wollte ihn auf Grund des Verwandtschaftsverhältnisses bedenken. Folglich hat sie es schlicht nicht für notwendig gehalten, nach dem Tod des Neffen eine letztwillige Verfügung zu Gunsten seiner Kinder zu treffen, sondern war davon ausgegangen, dass diese automatisch nachfolgen. Die Vertragsauslegung ergibt mithin, dass die Eheleute die Einsetzung dieser Abkömmlinge gewollt hätten, so dass für die Anwachsung kein Raum ist, sondern die Kinder des Neffen Erben zu je ¼ neben der Enkelin geworden sind.

 

Link zur Entscheidung

OLG München, Beschluss vom 06.07.2006, 31 Wx 35/06

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