Leitsatz

Nicht berücksichtigte Wohngeldzahlung in bestandskräftig gewordener Einzelabrechnung

 

Normenkette

§§ 16, 28 WEG

 

Kommentar

  1. Auch nach Bestandskraft eines Genehmigungsbeschlusses über die betreffende Jahreseinzelabrechnung kann der Wohn- bzw. Hausgeldschuldner im Zahlungsverfahren Erfüllung durch während des betreffenden Wirtschaftsjahrs geleistete Zahlungen einwenden. Anderer Auffassung ist insoweit – jedoch nicht überzeugend – das BayObLG in seinem Beschluss v. 8.4.2004 (2Z BR 193/03, ZMR 2005, 65). Für einen Einwendungsausschluss gibt es keine tragfähige sachliche Begründung.
  2. Die Genehmigung einer Jahresabrechnung begründet zwar einerseits Zahlungspflichten der Wohnungseigentümer, billigt aber andererseits lediglich die formelle und zahlenmäßige Richtigkeit des Abrechnungswerks (Hans. OLG Hamburg v. 21.10.2002, 2 Wx 71/02, ZMR 2003, 128). Aus diesem Grund werden Einwendungen aus materiellem Recht im Anfechtungsverfahren in weitem Umfang nicht zugelassen. Dies gilt beispielsweise für die Einwendung, in Ansatz gebrachte Kosten seien unberechtigterweise aufgewendet worden. Nach Auffassung der Kammer müssen dann aber diese Einwendungen aus materiellem Recht im Rechtsstreit über die Zahlungspflicht eines einzelnen Eigentümers zugelassen werden. Demgemäß hat die Kammer den Beweis der Nichterfüllung (gegenüber einer sog. "Sollabrechnung") auch mehrfach für zulässig erachtet. Entsprechendes muss für den materiellen Einwand der Erfüllung durch den nach der Abrechnung zahlungspflichtigen Wohnungseigentümer gelten.
  3. Vorliegend mussten deshalb unstreitig vom Schuldner geleistete und im Abrechnungszeitraum verrechnete Zahlungen von der geltend gemachten Forderung der Antragstellerseite abgezogen werden.
 

Link zur Entscheidung

LG Hamburg, Beschluss vom 06.04.2005, 318 T 239/04LG Hamburg v. 6.4.2005, 318 T 239/04, ZMR 1/2006, 77

Anmerkung

Von einem Abrechnungsgenehmigungsbeschluss werden nach h.R.M. sowohl die Gesamtabrechnung als auch alle Einzelabrechnungen erfasst und ggf. positiv genehmigt, zumal i.d.R. über das gesamte vorgelegte Abrechnungswerk in einem einzigen Beschlussantrag abgestimmt wird. Erkennt nun ein einzelner Eigentümer formelle oder auch inhaltliche Mängel – bezogen auf die gesamte, einheitliche Beschlussfassung –, muss er mit entsprechenden Maßgaben, evtl. positionsbezogen, form- und fristgerecht den Beschluss anfechten, also auch dann, wenn er sein Einzelabrechnungssaldo im Ergebnis für unrichtig hält. Dies gilt sicher ebenfalls, wenn in seiner Einzelabrechnung im betreffenden Geschäftsjahr geleistete Zahlungen nicht berücksichtigt wurden und somit sein saldiertes Einzelabrechnungsergebnis unrichtig ist. So mancher ausgewiesene Fehlbetrag in einer Einzelabrechnung hat bekanntlich auch kommunizierende Wirkung für die Saldenergebnisse der restlichen Eigentümer aus deren Einzelabrechnungen und kann zur Pflicht des Verwalters führen, sämtliche Einzelabrechnungen neu erstellen zu müssen und nachträglich erneut durch Beschluss genehmigen zu lassen. Bei einem Zahlungserfüllungseinwand eines einzelnen Eigentümers gegenüber dem Saldo in seiner Einzelabrechnung dürften sich allerdings für die restlichen Eigentümer keine Änderungen ergeben. Hintergrund der zitierten und anders lautenden Entscheidung des BayObLG ist offensichtlich die Überlegung, dass selbst bei fehlerhafter Gesamt- oder Einzelabrechnung nach Ablauf der einmonatigen Beschlussanfechtungsfrist des § 23 Abs. 4 WEG ein endgültiger Schlussstrich unter ein betreffendes Geschäftsjahr gezogen werden soll. Dies soll meist auch mit der separaten Beschlussfassung über die Entlastung des Verwalters verbunden sein. Eigentümer sind deshalb nach wie vor aus meiner Sicht darauf hinzuweisen, auch eigene Einzelabrechnungen unverzüglich auf inhaltliche Richtigkeit dahingehend zu überprüfen, ob hier Verrechnungen der ausgewiesenen anteiligen Ausgaben mit den tatsächlich und nachweisbar geleisteten Wohngeldvorauszahlungen korrekt verbucht und abgerechnet wurden. Das BayObLG hat sogar in einer weiteren Entscheidung seinerzeit festgestellt, dass ein Miteigentümer in einer Gemeinschaft mit einer Wohnung zu form- und fristgerechter Anfechtung gezwungen wäre, eine Einzelabrechnung anzugreifen, die ihn zu Unrecht für ein "weiteres" Wohnungseigentum in dieser Gemeinschaft belastete, welches er nicht einmal zu Eigentum besaß (!).

Hinsichtlich nachträglicher Erfüllungseinreden nach Bestandskraft entsprechender Abrechnungsgenehmigungsbeschlüsse ist damit sicher noch nicht das letzte Wort gesprochen.

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