Leitsatz

Zwangsvollstreckung (Zwangsversteigerung) wegen Wohngeldrückständen in neuerlicher Rangklasse 2 (Problematik des Nachweises zum betreffenden Einheitswertbescheid der Schuldnerwohnung)

 

Normenkette

§ 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG; §§ 10 Abs. 1 Nr. 2, 5 Abs. 3, 1, 3 ZVG; § 54 GKG; § 79 BewG; § 30 AO

 

Kommentar

  1. Das Überschreiten der Wertgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 ZVG muss durch Vorlage des Einheitswertbescheids in der Form des § 16 Abs. 2 ZVG nachgewiesen werden. Insoweit soll eine Umgehung des § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG zur Entziehung von Wohnungseigentum nach Intention des Reformgesetzgebers verhindert werden; Entziehung von Wohnungseigentum wegen Hausgeldrückständen ist nur dann rechtens, wenn mindestens 3 % des Einheitswerts an Schuldsumme erreicht werden. Diese Regelung ist dann auch als Wertgrenze eine Voraussetzung des Antrags einer Gemeinschaft auf Anordnung der Zwangsversteigerung in der Rangklasse 2 (Zulässigkeitsvoraussetzung gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 ZVG). Wird die Wertgrenze nicht erreicht, sollen Anträge auf Anordnung der Zwangsversteigerung in dieser Rangklasse unzulässig sein. Nach h. R. hat also die Gemeinschaft als Gläubigerin solcher Wohngeldforderungen das Überschreiten der Wertgrenze nachzuweisen, und zwar in Form der Vorlage des betreffenden Einheitswertbescheids der beschlagnahmten Schuldnerwohnung.
  2. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Meinungen zur verfahrensrechtlichen Nachweisführung folgt der Senat vornehmlich der Meinung von Schneider (ZfIR 2008, 161/163). Die Gemeinschaft kann insoweit einem gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 ZVG in der Rangklasse 5 eingeleiteten Verfahren später in der Rangklasse 2 nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG beitreten. Da ein Überschreiten der Wertgrenze Vollstreckungsvoraussetzung ist, muss auch diese Voraussetzung gem. § 16 Abs. 2 ZVG urkundlich nachgewiesen werden. Von einer planwidrigen Gesetzeslücke kann nach der Gesetzesregelung in § 10 Abs. 3 ZVG zu diesen Nachweisvoraussetzungen nicht ausgegangen werden. Die Wertgrenze des § 10 Abs. 3 ZVG hat einen hohen Gerechtigkeitsgehalt, soll dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragen und möglichen Versteigerungen wegen Bagatellforderungen entgegenwirken (so auch die Gesetzesbegründung, NZM 2006, 401/428). Die Beweisführung ist deshalb nur durch Vorlage des tatsächlich erlassenen Einheitswertbescheids und nicht durch anderweitige Glaubhaftmachung zu erreichen. Auch Übermittlung von Einheitswertbescheiden für andere (vergleichbare) Wohnungen sind nur bedingt zur Glaubhaftmachung geeignet; es kann durchaus auch unterschiedliche Bewertungen nach jeweiliger Nutzung des Wohnungseigentums geben (vgl. § 79 BewG). Außerdem muss einem Einheitswertbescheid nicht der gleiche Bewertungsstichtag zugrunde liegen, was zu unterschiedlichen Ergebnissen führen könne. Das Zwangsversteigerungsverfahren kann solche Fragen nicht aufklären.
  3. Einer Gemeinschaft ist nun der Nachweis durch Vorlage des Einheitswertbescheids kaum möglich, da sie weder sachenrechtlich am Gemeinschafts- noch am Sondereigentum beteiligt ist und auch der Finanzbehörde aufgrund des Steuergeheimnisses nach gegenwärtiger Rechtslage (vgl. § 30 AO) nicht das Recht zusteht, Einheitswertbescheide an Dritte herauszugeben. Allerdings ist auch nicht von einer Gesetzeslücke auszugehen, da einer in Gläubigerschaft stehenden Gemeinschaft andere rechtliche Möglichkeiten eingeräumt sind.
  4. Die Rangklasse gehört zur Art des Anspruchs, die nach § 16 Abs. 1 ZVG im Anordnungsbeschluss zu bezeichnen ist. Das Fehlen eines Einheitswertbescheids führt allerdings nicht zur vollständigen Zurückweisung des Versteigerungsantrags, sondern nur dazu, dass die Versteigerung der Hausgeldrückstände (zunächst) nicht in der Rangklasse 2, sondern in der Rangklasse 5angeordnet wird. Nach erfolgter Anordnung der Zwangsversteigerung hat das Vollstreckungsgericht nach § 54 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 GKG die zuständigen Finanzbehörden um Übermittlung des Einheitswertbescheids zu ersuchen. Einem solchen Ersuchen des Vollstreckungsgerichts können sich die Finanzbehörden – anders als nach geltendem Recht gegenüber einer Auskunftsbitte der Wohnungseigentümergemeinschaft – nicht unter Berufung auf das Steuergeheimnis entziehen. Nach Anordnung der Zwangsversteigerung in der Rangklasse 5 wird deshalb i.d.R. im Laufe des Verfahrens und noch vor Festlegung des geringsten Gebots der Einheitswertbescheid dem Vollstreckungsgericht vorgelegt und damit auch im Sinne des Gesetzes (§ 16 Abs. 2 ZVG)nachgewiesen.

    Hier hat dann das Vollstreckungsgericht die Gemeinschaft in der Rangklasse 2 nach § 27 ZVG zuzulassen, wenn sie dem Verfahren nach erfolgtem Nachweis in dieser Rangklasse beitritt. Der Beitritt ist nämlich nicht nur anderen, sondern auch dem betreibenden Gläubiger möglich (h.M.). Der betreibende Gläubiger kann den Beitritt nicht nur wegen anderer materiell-rechtlicher Ansprüche, sondern auch dann erklären, wenn er eine Versteigerung in einer anderen Rangklasse anstrebt (vgl. auch Stöber, ZVG, § 27 Rn. 3.3 sowie Schneider, ZfIR 2008,...

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