Leitsatz

Geschiedene Eheleute stritten um die Zahlung nachehelichen Unterhalts an die Ehefrau. Zentrales Problem der Entscheidung war die Frage der Erwerbsobliegenheit der Ehefrau sowie die Frage der Verwirkung des Anspruchs.

 

Sachverhalt

Die Parteien hatten im Jahre 1989 geheiratet. Aus ihrer Ehe waren zwei in den Jahren 1994 und 1996 geborene Söhne hervorgegangenen. Die Parteien trennten sich im Dezember 2002. Ihre Ehe wurde durch rechtskräftiges Urteil vom 14.6.2004 geschieden. Die beiden gemeinsamen Söhne lebten seit der Trennung der Eltern in der Obhut der Ehefrau. Das im Miteigentum der Parteien stehende Familienwohnheim wurde im Februar 2005 veräußert. Nach Abzug der Verbindlichkeiten erhielten beide Parteien Anfang April 2005 aus dem Verkaufserlös einen Betrag von 33.751,28 EUR.

Die Klägerin war Krankengymnastin und übte diesen Beruf bis zur Geburt des ersten Kindes in Vollzeit aus. Zweieinhalb Jahre später nahm sie ihre berufliche Tätigkeit stundenweise wieder auf. Seit 1998 ging sie freiberuflich einer Teilzeitbeschäftigung in der Praxis H. nach. Ihre wöchentliche Arbeitszeit betrug nach ihren Angaben im Jahre 2005 15 bis 18 Stunden und im Jahre 2006 ca. 20 Stunden. Seit Januar 2007 ist sie im Umfang von 25 bis 30 Wochenstunden beschäftigt.

Der Beklagte war Verwaltungsleiter bei der Kirchengemeinde.

Zwischen den Parteien war im Wesentlichen streitig, ob die Klägerin in ausreichendem Maße ihrer Erwerbsobliegenheit nachkomme bzw. nachgekommen sei.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie für die Zeit vom 1.3.2005 bis 30.6.2005 monatlichen Unterhalt i.H.v. 1.105,00 EUR (inklusive Altersvorsorgeunterhalt) für die Zeit ab 1.7.2005 bis 30.9.2005 monatlichen Unterhalt i.H.v. 1.103,00 EUR (ebenfalls inklusive Altersvorsorgeunterhalt) zu zahlen, sowie ferner ab dem 1.10.2005 monatlichen Unterhalt i.H.v. 1.103,00 EUR zu leisten.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und eingewandt, die Klägerin sei bereits seit August 2004 zur Ausübung einer Halbtagsbeschäftigung verpflichtet, da das jüngste Kind zu diesem Zeitpunkt in die 3. Grundschulklasse gekommen sei. Wenn die Klägerin ihre Tätigkeit in der Praxis nicht ausweiten könne, müsse sie eine zusätzliche Arbeit aufnehmen oder ihren Arbeitsplatz wechseln.

Ferner hat er geltend gemacht, die Klägerin habe ihren Unterhaltsanspruch verwirkt.

Erstinstanzlich hatte die Klägerin mit ihren Anträgen weitgehend Erfolg.

Gegen das erstinstanzliche Urteil legte der Beklagte Berufung in, mit der er zunächst eine Reduzierung des erstinstanzlich ausgesprochenen Unterhalts sowie eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs bis zum 31.12.2010 begehrte.

Das Rechtsmittel war insoweit teilweise erfolgreich, als das OLG eine geringere Unterhaltsverpflichtung des Beklagten ausurteilte als das erstinstanzliche Gericht.

 

Entscheidung

Das OLG vertrat die Auffassung, die Klägerin komme ihrer Erwerbsobliegenheit in ausreichendem Maße nach.

Nach dem von der Rechtsprechung zu dem bis 31.12.2007 geltenden Recht entwickelten Altersphasenmodell habe in der Regel eine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils erst bei Einschulung des jüngsten Kindes in die 3. Grundschulklasse bestanden. Vorliegend sei das jüngste Kind der Parteien im April 2005 neun Jahre alt geworden und sei im September 2005 in die 3. Grundschulklasse gekommen. Die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin habe in diesem Jahr 15 bis 18 Stunden betragen. Sie habe ihre Erwerbstätigkeit im Jahre 2006 auf 20 Wochenstunden und im Jahre 2007 auf 25 bis 30 Wochenstunden erweitert.

Damit habe sie ihre Erwerbsobliegenheit in vollem Umfang erfüllt. Auch nach dem seit 01.01.2008 geltenden Recht komme die Klägerin im Hinblick auf die intensive Betreuungsbedürftigkeit des im Jahre 1994 geborenen Sohnes ihrer Erwerbsobliegenheit in ausreichendem Maße nach. Vorliegend ergebe sich für die Zeit ab 1.1.2008 ein Betreuungsunterhaltsanspruch der Klägerin aus § 1570 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB, da von ihr aus kindbezogenen Gründen die Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung nicht verlangt werden könne.

Der ältere Sohn Sven leide seit seiner Geburt und ADS und bedürfe intensiver Betreuung. Im Hinblick auf die bei ihm bestehende Problematik sei es der Klägerin nicht zuzumuten, den Jungen einer Fremdbetreuung zu überlassen, um einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen zu können. Eine Fremdbetreuung würde dem Kindeswohl zuwiderlaufen.

Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin hielt das OLG für nicht gegeben. Der Umstand, dass der Beklagte eine höher dotierte Stelle als Verwaltungsdirektor der Fachhochschule nicht erhalten habe, weil die Klägerin nicht auf ihre Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss verzichtet habe, führe zu keinem Verwirkungsgrund. Sie sei zur Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil rechtlich befugt gewesen und habe in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, so dass von einer Mutwilligkeit i.S.d. § 1579 Nr. 4 BGB a.F. nicht ausgegangen werden könne.

Auch die Strafanzeigen der Klägerin gegen d...

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