Leitsatz

Geht der Unterhaltspflichtige nach der Scheidung eine neue Ehe ein und gehen aus dieser Verbindung minderjährige Kinder hervor, stellt sich die Frage, in welcher Weise der Bedarf des geschiedenen unterhaltsberechtigten Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB zu bestimmen ist, wenn bei dem Unterhaltspflichtigen eine Einkommenserhöhung durch den Splittingvorteil aus der neuen Ehe und einem Karrieresprung eingetreten ist. Gegenstand der Entscheidung war ferner die Frage, ob ein Karrieresprung auch dann vorliegt, wenn während des Verlaufs der geschiedenen Ehe eine Ausbildung zu einer beruflichen Qualifikation eingeleitet wurde, die nachehelich zu einem höheren Einkommen geführt hat.

 

Sachverhalt

Die Parteien stritten um die Abänderung nachehelichen Unterhalts für die Zeit ab Juni 2005. Sie hatten im Oktober 1992 die Ehe geschlossen und lebten seit Februar 1997 voneinander getrennt. Seit August 2000 waren sie rechtskräftig geschieden. Die gemeinsamen in den Jahren 1993 und 1995 geborenen Kinder lebten seit der Trennung ihrer Eltern in dem Haushalt ihrer Mutter. Mit gerichtlichem Vergleich vom 28.4.2004 verpflichtete sich der Beklagte, an die Kinder Unterhalt i.H.v. 180 % des Regelbetrages der Regelbetrag-Verordnung abzüglich des anrechenbaren Kindergeldes zu zahlen. In einem weiteren gerichtlichen Vergleich vom 28.6.2006 wurde die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten für die gemeinsamen Kinder auf 190 % des Regelbetrages der Regelbetrag-Verordnung abzüglich des anrechenbaren Kindergeldes erhöht.

Mit Scheidungsverbundurteil vom 26.5.2000 wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Unterhalt einschließlich Altersvorsorgeunterhalt i.H.v. 1.015,00 DM = 518,96 EUR zu zahlen. Dabei ging das AG von einem bereinigten Nettoeinkommen des Beklagten nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen, des Kindesunterhalts und eines Erwerbstätigenbonus i.H.v. 2.446,57 DM aus. Von dem Nettoeinkommen der Klägerin i.H.v. 2.175,00 DM berücksichtigte es wegen überobligationsmäßiger Erwerbstätigkeit nach Abzug berufsbedingter Kosten und eines Erwerbstätigenbonus lediglich 1.238,57 DM.

Seinerzeit war der Beklagte als Assistenzarzt tätig. Mit dem Beginn dieser Tätigkeit im Dezember 1991 hatte er zugleich die Facharztausbildung für innere Medizin begonnen. Den Facharzttitel erlangte er am 21.10.1998. Am 1.9.1999 begann er eine weitere Facharztausbildung für innere Medizin - Kardiologie und gab sogleich seine Praxisvertretung für einen Allgemeinmediziner auf. Nach der rechtskräftigen Scheidung erlangte der Beklagte im Februar 2002 auch diesen Facharzttitel und wurde zum 1.12.2002 als Oberarzt übernommen. Seit April 2005 war er als Oberarzt in einem anderen Krankenhaus tätig.

Der Beklagte war seit dem 4.5.2001 wieder verheiratet. Aus dieser Ehe waren zwei in den Jahren 2001 und 2004 geborene Kinder hervorgegangen.

Auf die Abänderungsklage hat das AG das Verbundurteil abgeändert und den Beklagten verurteilt, an die Klägerin für die Zeit von Juni 2005 bis März 2006 Unterhaltsrückstand sowie ab April 2006 monatlichen Elementarunterhalt i.H.v. 612,00 EUR zuzüglich eines Altersvorsorgeunterhalts i.H.v. 152,00 EUR zu zahlen.

Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Die Anschlussberufung der Klägerin, mit der sie neben einem Unterhaltsrückstand ab Juni 2005 für die Zeit ab April 2006 einen monatlichen Unterhalt i.H.v. 1.050,00 EUR inklusive 200,00 EUR Altersvorsorgeunterhalt begehrte, hat das Berufungsgericht als unzulässig verworfen.

Gegen diese Entscheidung richteten sich die Revisionen der Klägerin, die ihre Berufungsanträge weiter verfolgte, und des Beklagten, der nach wie vor Klageabweisung begehrte.

 

Entscheidung

Der BGH setzte in seinem Urteil seiner Rechtsprechung zur Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse des geschiedenen Ehegatten gemäß § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB durch das Eingehen einer neuen Ehe des Unterhaltspflichtigen fort (zuletzt BGH v. 17.12.2008 in FamRZ 2009, 411). Danach werden die ehelichen Lebensverhältnisse des geschiedenen Ehegatten sowohl durch nachehelich geborene Kinder aus einer neuen Verbindung als auch durch den Bedarf der neuen Ehefrau bestimmt. Der jeweilige Bedarf des Unterhaltspflichtigen, der geschiedenen sowie der neuen Ehefrau wird im Wege der Dreiteilung ermittelt.

Sowohl die Einkommensvorteile aus der neuen Ehe wie auch die Einkünfte aus einem nachehelich eingetretenen Karrieresprung des Unterhaltspflichtigen sind in die Bedarfsbestimmung aller Beteiligten einzubeziehen. Dabei ist eine Kontrollberechnung in der Weise vorzunehmen, dass der Bedarf der geschiedenen Ehefrau nach durchgeführter Dreiteilung nach dem Halbteilungsgrundsatz, also ohne den Bedarf der neuen Ehefrau aus der neuen Verbindung, zu ermitteln ist. Dies geschieht in der Weise, dass das Einkommen des Unterhaltspflichtigen ohne den Splittingvorteil und einen eventuell eingetretenen Karrieresprung ermittelt wird. Ist der dadurch bestimmte Bedarf geringer als bei Berücksichtigung des Bedarfs der neuen Ehefrau (mit Splittingvorteil und Kar...

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