Leitsatz

In dieser Entscheidung setzt sich der BGH in Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung mit der konkreten Bedarfsbemessung bei besonders guten wirtschaftlichen Verhältnissen auseinander. Ferner ist Gegenstand der Entscheidung die vom Normalfall abweichende Bemessung des Altersvorsorgeunterhalts bei konkreter Bedarfsbestimmung.

 

Sachverhalt

Die Parteien stritten um nachehelichen Aufstockungsunterhalt für die Zeit ab Januar 2009. Der Antragsteller war im Jahre 1950, die Antragsgegnerin im Jahre 1953 geboren. Sie hatten im April 1977 geheiratet. Aus der Ehe waren zwei bereits volljährige Töchter hervorgegangen.

Jedenfalls seit dem Jahre 1993 waren die Parteien nicht mehr erwerbstätig und lebten von den Vermögenseinkünften des Antragstellers, der Miteigentümer eines Gewerbemietobjekts und eines 1970 erbauten Verbrauchermarkts war. Weiteres Vermögen i.H.v. mindestens 2 Mio. EUR hatte er von seinem Vater geerbt.

Die Antragsgegnerin war seit November 2007 als Sachbearbeiterin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden erwerbstätig und erzielte hieraus Nettoeinkünfte i.H.v. 1.273,67 EUR. Zusätzlich erzielte sie aus einem im Zugewinnausgleich erhalten Betrag i.H.v. 85.000,00 EUR monatlich Zinsen von 215,11 EUR. Außerdem verfügte sie über eine Lebensversicherung mit einem Auszahlungsbetrag i.H.v. 55.000,00 EUR bei Eintritt ins Rentenalter.

Das AG hat die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antragsteller verurteilt, an die Antragsgegnerin nachehelichen Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt in zeitlich gestaffelter Höhe, ab dem 65. Lebensjahr lediglich Elementarunterhalt i.H.v. monatlich 500,00 EUR zu zahlen.

Gegen das erstinstanzliche Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Das OLG hat den Ehemann sodann zur Zahlung von Elementarunterhalt i.H.v. 1.970,00 EUR und Altersvorsorgeunterhalt i.H.v. 557,00 EUR monatlich verurteilt. Dabei hat es den Bedarf der Ehefrau mit 3.195,00 EUR zzgl. Altersvorsorgeunterhalt bemessen. Wegen der herausgehobenen, überdurchschnittlich günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse, die das Einkommen der höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle deutlich überstiegen, sei der Bedarf der Ehefrau nicht als Quote vom vorhandenen Einkommen, sondern individuell zu ermitteln. Danach sei der von der Ehefrau dargelegte Bedarf anzuerkennen.

Gegen das Berufungsurteil richtete sich die zugelassene Revision des Antragstellers, mit der er weiterhin vollständige Klageabweisung begehrte.

Sein Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Der BGH vertrat die Auffassung, das OLG habe den Antragsteller zu Recht in der zugesprochenen Höhe zur Zahlung nachehelichen Unterhalts verurteilt.

Die Bedarfsbemessung nach Quoten beruhe auf dem Regelfall, dass das gesamte vorhandene Einkommen für den Lebensunterhalt der Eheleute gebraucht werde. Bei besonders günstigen Verhältnissen fließe jedoch ein Teil der Vermögensbildung zu. In solchen Fällen sei daher eine konkrete Bedarfsbemessung nicht zu beanstanden. Auf den konkret bestimmten Bedarf habe das OLG zutreffend das erzielte Einkommen der Ehefrau angerechnet.

Der Altersvorsorgeunterhalt sei zusätzlich neben dem Aufstockungsunterhalt geschuldet, da die Altersvorsorge zum Lebensbedarf nach § 1578 Abs. 3 BGB gehöre. Er sei nicht nach der später zu erwartenden Altersversorgung zu bemessen, sondern danach, welche Versicherungsbeiträge bei einem Einkommen in Höhe des Elementarunterhalts geleistet würden.

Im konkreten Fall habe das OLG zu Recht den Altersvorsorgeunterhalt zusätzlich zum vollen, nach dem konkreten Bedarf bestimmten Elementarunterhalt, zugesprochen, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten es erlaubten, dass der Vorsorgebedarf ohne Verstoß gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe beider Ehegatten am gemeinsamen Bedarf zusätzlich befriedigt werden könne.

 

Hinweis

Nach den Leitlinien der OLG wird unterschiedlich beurteilt, ab welchem Einkommen des Unterhaltspflichtigen eine konkrete Bedarfsbemessung in Betracht kommt.

Der BGH weist in dieser Entscheidung erneut darauf hin, dass jedenfalls keine absolute Sättigungsgrenze für den nachehelichen Unterhalt existiere. Der konkret berechnete Bedarf könne also auch höher sein als der Quotenunterhalt nach der höchsten Stufe der Düsseldorfer Tabelle. Bei der Beurteilung des konkreten Einzelfalls dürften neben konkretem Zahlenmaterial auch der Blick auf den konkret während des ehelichen Zusammenlebens praktizierten Lebensstil von Bedeutung sein.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 11.08.2010, XII ZR 102/09

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