Leitsatz

Geht es um die Beseitigung eines Baums und Duldung eines Wärmeschutzüberbaus muss anstelle der Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer klagen. Ist das "störende" Grundstück in Wohnungseigentum aufgeteilt, ist jeweils die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu verklagen.

 

Normenkette

§ 27 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 WEG; §§ 91, 91a, 93, 307 ZPO

 

Das Problem

  1. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K verklagt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B wegen Beseitigung eines Baums und auf Duldung eines Wärmeschutzüberbaus. Nachdem die Parteien den Antrag wegen des Baums übereinstimmend für erledigt erklärt haben und B unter Protest gegen die Kostenlast die Duldung anerkannt hat, verurteilt das LG den B mit Anerkenntnisteilurteil antragsgemäß zur Duldung. Im Schlussurteil legt das LG B die Kosten des Rechtsstreits auf. Die Erteilung der Fällgenehmigung für den Baum indiziere die Notwenigkeit dieser Maßnahme. Hinsichtlich der Duldungspflicht komme eine Kostentragungspflicht der K nicht in Betracht, da es an einem sofortigen Anerkenntnis fehle.
  2. Gegen diese Entscheidung legt B Beschwerde ein.
 

Kommentar

Die Entscheidung

  1. Hinsichtlich des Wärmeschutzüberbaus habe das LG im Ergebnis zutreffend die Kostenentscheidung nach § 91 Abs. 1 ZPO getroffen und davon abgesehen, K diesbezüglich die Kosten gemäß § 93 ZPO aufzuerlegen. Es fehle an einem sofortigen Anerkenntnis. B habe K's Anspruch aus § 16a Nachbarrechtsgesetz Berlin (NachbG Bln) zunächst bestritten.

    § 16 a NachbG Bln (Wärmeschutzüberbau der Grenzwand)

    (1) Der Eigentümer eines Grundstücks hat die Überbauung seines Grundstücks für Zwecke der Wärmedämmung zu dulden, wenn das zu dämmende Gebäude auf dem Nachbargrundstück bereits besteht.

    (2) Im Falle des Wärmeschutzüberbaus ist der duldungsverpflichtete Nachbar berechtigt, die Beseitigung des Überbaus zu verlangen, wenn und soweit er selbst zulässigerweise an die Grenzwand anbauen will.

    (3) Der Begünstigte des Wärmeschutzüberbaus muss die Wärmedämmung in einem ordnungsgemäßen und funktionsgerechten Zustand erhalten. Er ist zur baulichen Unterhaltung der wärmegedämmten Grenzwand verpflichtet.

    […]

  2. B könne sich nicht darauf berufen, K fehle es an einer "Eigentümerstellung" hinsichtlich des Duldungsanspruchs aus § 16a Abs. 1 NachbG Bln. Die Durchsetzung des Duldungsanspruchs betreffend eines mit einer Wärmedämmung instand zu setzenden gemeinschaftlichen Eigentums sei Sache der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Sie erfordere ein gemeinschaftliches Vorgehen. B fehle es auch nicht an der passiven Prozessführungsbefugnis. Bei gemeinschaftlich zu erfüllenden Pflichten der Mitberechtigten sei die Klage gem. § 10 Abs. 6 Satz 3 Fall 1 WEG gegen die "Rechtsgemeinschaft" zu richten. B sei nach § 27 Abs. 3 Nr. 2 WEG auch ordnungsgemäß vertreten.
  3. Etwas anderes ergäbe sich auch nicht daraus, dass K zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage zunächst nicht ordnungsgemäß vertreten war (§ 51 ZPO) und der gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG für die Vertretung durch ihren Verwalter erforderliche Ermächtigungsbeschluss erst nach Erhebung der Klage gefasst worden sei. Denn B habe auch nachfolgend bestritten, dass K ausreichend vertreten war.
  4. B führe zu Unrecht an, es habe K und B jeweils an der Prozessführungsbefugnis gefehlt. K's Prozessführungsbefugnis folge aus § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG. Bei dem Abwehranspruch aus § 1004 BGB handele es sich um gemeinschaftsbezogenes Recht der Wohnungseigentümer, weil die Durchsetzung ein gemeinschaftliches Vorgehen erfordere. Eine Störung sei dann gemeinschaftsbezogen, wenn sie – wie hier – die Substanz oder die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums objektiv beeinträchtige (Hinweis auf OLG München v. 26.10.2010, 32 Wx 26/10, NJW 2011 S. 83). B's passive Prozessführungsbefugnis folge auch aus § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG. Die Klage sei gegen die "Rechtsgemeinschaft" zu richten. Bei der Erfüllung des Anspruchs aus § 1004 BGB betreffend das gemeinschaftliche Eigentum (§ 1 Abs. 5 WEG) handele es sich um eine gemeinschaftsbezogene Pflicht der Wohnungseigentümer, die gemeinschaftlich zu erfüllen sei. Eine abweichende Beurteilung sei nicht deshalb geboten, weil K zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage gem. § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG zunächst mangels Ermächtigungsbeschlusses nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen war (§ 51 ZPO). Im Rahmen der Entscheidung nach § 91a ZPO komme es auf den Zeitpunkt der letzten Erledigungserklärung an.
  5. Nachdem B bestritten habe, dass der Baum bzw. dessen Wurzeln Schäden verursacht bzw. eine komplette Entfernung des Baums notwendig sei, hätte nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens entschieden werden können. Wegen des offenen Verfahrensausgangs wäre daher eine Kostenaufhebung gerechtfertigt gewesen. In Anbetracht der wirtschaftlichen Bedeutung des Klageantrags (1.200 EUR von 17.200 EUR) sowie des Umstands, dass K diesbezüglich wegen der gebotenen Beweisaufnahme lediglich die hälftigen Kosten des Rechtsstreits aufzubürden gewesen wären, erachtet das erkennende Gericht insofer...

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