Bei der Festlegung von Ruhezeiten bzw. Zeiten eines Musizierverbots sind weiter die konkreten Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls – sprich der Eigenheiten der Wohnanlage – zu berücksichtigen. So dürfte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass ein größeres Maß an Rücksichtnahme von den musizierenden Bewohnern erwartet wird, sollte es sich um eine Seniorenwohnanlage handeln. Leben in einer Wohnanlage hauptsächlich ältere Menschen, so kann demnach auch eine Ausdehnung des Musizierverbots zulässig sein.[1] Andererseits kann in einer Anlage mit über 200 Wohn- und Büroeinheiten keine Regelung beschlossen werden, nach der das Musizieren nicht länger als eine Stunde vormittags und eine Stunde nachmittags bis abends 20 Uhr gestattet ist.[2] Dies gilt zumindest dann, wenn Wohnungs- und Teileigentum beliebig genutzt werden können. In einem solchen Fall ist es nämlich nahe liegend, dass auch Berufsmusiker oder Musikschulen ihr Sonder- oder Teileigentum entsprechend nutzen.

Weiter sind natürlich auch bauliche Gegebenheiten zu berücksichtigen wie der Abstand der Wohnungen zueinander, die Hellhörigkeit im Gebäude, der Pegel von Umgebungsgeräuschen und die Art des Musizierens.[3]

 
Hinweis

Bedeutung von Immissionsrichtwerten

Feststellungen, ob Immissionsrichtwerte, wie sie sich aus der TA-Lärm oder der VDI-Richtlinie 2058 ergeben, eingehalten werden, führen im Bereich des häuslichen Musizierens regelmäßig zu einem nur eingeschränkten Erkenntnisgewinn. Einerseits kann der Musizierende im Grundsatz nicht zur Einhaltung bestimmter Richtwerte gezwungen werden. Ein unbefangenes Musizieren wäre nicht möglich, wenn leise Töne erlaubt, laute dagegen verboten würden.[4] Andererseits wird eine zeitliche Begrenzung der Hausmusik trotz Einhaltung von Richtwerten häufig im Hinblick auf die Lästigkeit der Geräusche geboten sein. Als lästig können nicht nur die Besonderheiten des Übens (wie Tonleitern, abrupte Pausen, Wiederholungen und Fehler) und die Art des Instruments (hohe Frequenzen oder Impulslärm), sondern auch die schlichte Dauer der nicht selbst gewählten Geräuschkulisse empfunden werden. Zudem könnten die genannten Richtwerte ohnehin nur als Orientierungshilfe dienen, weil sie in erster Linie für den Schutz vor Arbeitslärm herangezogen werden und deshalb nicht schematisch auf das häusliche Musizieren übertragen werden können.[5]

[1] BGH, a. a. O.
[3] BGH, a. a. O.
[4] OLG Düsseldorf, Urteil v. 19.12.2005, I-9 U 32/05.

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