Leitsatz

Kernproblem dieser Entscheidung war die Frage, ob der Splittingvorteil aus einer neuen Ehe des barunterhaltspflichtigen Elternteils bei der Bestimmung des Bedarfs der Kinder aus erster Ehe gemäß § 1610 Abs. 1 BGB und der Festlegung der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen ist.

 

Sachverhalt

Die Klägerin zu 1) und der Beklagte sind geschiedene Eheleute. Die Ehescheidung war seit Dezember 2001 rechtskräftig. Aus der Ehe waren drei in den Jahren 1990, 1994 und 1999 geborene Söhne hervorgegangen, die Kläger zu 2) bis 4).

Der von dem Beklagten zu zahlende Ehegatten- und Kindesunterhalt war zuletzt durch Urteil des AG vom 4.11.2003 tituliert worden. Seinerzeit war Ehegattenunterhalt von monatlich 110,00 EUR und Kindesunterhalt i.H.v. 58,00 EUR, 49,00 EUR und 41,00 EUR an die Kläger 2) bis 4) ausgeurteilt worden.

Der Beklagte war seit dem Jahre 2004 wieder verheiratet. Er war zu seiner neuen Ehefrau und deren beiden Kindern gezogen. Der Beklagte erzielte Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Vorarbeiter in einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb.

Die Kläger haben mit ihrer Abänderungsklage die Erhöhung des titulierten Unterhalts verlangt und dies damit begründet, dass bei dem Beklagten Schuldverpflichtungen weggefallen seien, die im Ausgangsurteil noch berücksichtigt wurden. Der Beklagte erhob Widerklage und machte den Wegfall seiner Unterhaltspflicht geltend. Er berief sich darauf, dass sein Einkommen gesunken sei und er höhere Fahrtkosten habe. Der mit seiner Wiederverheiratung verbundene Steuervorteil sei für den Unterhalt der Kläger nicht zu berücksichtigen.

Das erstinstanzliche Gericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage das Ausgangsurteil dahingehend abgeändert, dass der Beklagte ab Mai 2005 keinen Unterhalt mehr zu zahlen habe.

Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht die Abweisung der Klage bestätigt, der Widerklage aber nur mit Einschränkungen stattgegeben. Es ging davon aus, dass für den Unterhalt der Kläger oberhalb des dem Beklagten zuzubilligenden Selbstbehalts 100,00 EUR zur Verfügung stünden und hat daher den Unterhalt ab dem 4.5.2005 auf 40,00 EUR für die Klägerin zu 1) und je 20,00 EUR für die Kläger zu 2) bis 4) festgelegt.

Hiergegen richtete sich die vom OLG zugelassene Revision der Kläger. Auf die vom OLG nur eingeschränkt bewilligte Prozesskostenhilfe hat die Klägerin zu 1) ihre Revision zurückgenommen, während die Kläger zu 2) bis 4) ihre Abänderungsklage und die Abweisung der Widerklage im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung durch das OLG weiterverfolgten.

Das Rechtsmittel der Kläger zu 2) bis 4) erwies sich als begründet und führte zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

 

Entscheidung

Anders als das Berufungsgericht vertrat der BGH die Auffassung, der Splittingvorteil des Unterhaltspflichtigen aus neuer Ehe sei bei der Bemessung des Kindesunterhalts zu berücksichtigen.

Dies gelte sowohl für die Bestimmung des Bedarfs der minderjährigen Kinder nach § 1610 Abs.1, 2 BGB als auch für die Ermittlung der Leistungsfähigkeit gemäß § 1603 Abs. 1, 2 BGB. Der BGH ging damit von dem tatsächlich bezogenen Einkommen des Unterhaltspflichtigen aus und nicht von einem fiktiv nach der Grundtabelle ermittelten Betrag. Anders als beim Ehegattenunterhalt sei der Lebensstandard der Kinder nicht auf die zum Zeitpunkt der Ehescheidung vorhandenen Einkommensquellen begrenzt. Vielmehr seien auch erst nach der Scheidung beim Unterhaltspflichtigen entstandene Vorteile zu berücksichtigen.

Der vom Berufungsgericht angeführte Nachrang des neuen Ehegatten sei im Rahmen der Bedarfsermittlung grundsätzlich unbeachtlich. Der Nachrang wirke sich erst bei unzureichender Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen aus. Im Rahmen der Ermittlung des angemessenen Lebensbedarfs der Kinder könnten auch nachrangige Unterhaltsberechtigte berücksichtigt werden. Bei der Ermittlung des angemessenen Unterhalts i.S.v. § 1610 Abs. 1 BGB beeinflussten weitere Unterhaltspflichtige die Lebensstellung des Elternteils und folglich auch diejenige der von ihm zu versorgenden Kinder.

Der BGH verweist insoweit auf die Praxis der Düsseldorfer Tabelle, wonach bei einer höheren Anzahl an Unterhaltsberechtigten eine Herabsetzung der Tabellenbeträge erfolgt, ohne dass der Rang weiterer Berechtigter berücksichtigt wird.

Hiervon geht der BGH allerdings nur dann aus, wenn der Unterhaltspflichtige Alleinverdiener ist.

Ausführlich wird vom BGH geprüft, ob sich ein gesetzliches Verbot zur Anrechnung des Splittingvorteils beim Kindesunterhalt ergibt. In Bezug auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe wird dies von ihm verneint. Auch in der Entscheidung des BVerfG vom 6.10.2003 (FamRZ 2003, 1821) sieht er keinen Hinderungsgrund, weil sich diese Entscheidung auf die ehelichen Lebensverhältnisse i.S.d. § 1578 Abs. 1 BGB beziehe, jedoch nicht auf den Kindesunterhalt.

 

Hinweis

Wenn lediglich der Unterhaltspflichtige Einkünfte bezieht, nicht jedoch sein neuer Ehepartner, können r...

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