Leitsatz

  1. Keine Feststellungsverpflichtung des Gerichts über das Zustandekommen eines Mehrheitsbeschlusses, wenn der Verwalter wegen des Einstimmigkeitserfordernisses bei nachteiliger baulicher Veränderung Antragsablehnung verkündet hat
  2. Gegen eine Kostenentscheidung des Gerichts zulasten des Verwalters gem. § 49 Abs. 2 WEG besitzt dieser ein sofortiges Beschwerderecht
 

Normenkette

§§ 22 Abs. 1, 49 Abs. 2 WEG

 

Kommentar

  1. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz (AG Sonthofen) konnte nach Meinung des Berufungsgerichts der Verwalter im Rahmen seiner Beschlussergebnisverkündungspflicht bei mehrheitlicher Zustimmung der Eigentümer über einen Dachgeschossausbau mit Gaubeneinbau zu Recht feststellen, dass der Beschluss mangels Einstimmigkeit nicht zustande gekommen sei. Eine solche bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG könne nur einstimmig beschlossen werden, sodass er mangels dieser erforderlichen Mehrheit einen Negativbeschluss feststellen durfte. Andernfalls wäre der Verwalter verpflichtet, einen nicht ordnungsgemäßen Beschluss festzustellen, den er dann – trotz eventueller Anfechtung – zunächst vollziehen müsste, obwohl er wisse, dass der Beschluss im Fall einer Anfechtung aufgehoben werde (ebenso Merle im Bärmann-Kommentar, 10. Aufl. § 22 Rn. 139). Auch das Gericht hat in einem solchen Fall nicht die Pflicht, einen (nur) Mehrheitsbeschluss als zustande gekommen festzustellen, wenn die erforderliche Mehrheit nicht erreicht wurde. Aus diesem Grund war der klägerische Feststellungsantrag als unbegründet abzuweisen, ebenso der gestellte Hilfsantrag, den Negativbeschluss für ungültig zu erklären. Vorliegend war auch kein Anspruch des Klägers auf Zustimmung zu baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums erkennbar, auch nicht nach den Vereinbarungen in der Teilungserklärung.
  2. Aus diesem Grund war auch die Kostenentscheidung des AG zulasten des Verwalters nach § 49 Abs. 2 WEG aufzuheben. Gegen solche Kostenentscheidungen ist zwischenzeitlich das sofortige Beschwerderecht anerkannt und mehrfach gerichtlich bestätigt (vgl. auch LG Berlin, GE 2009, S. 388 und LG Frankfurt, NJW 2009, S. 924).
Anmerkung

Was die vom Berufungsgericht als korrekt angesehene Verkündung des Beschlussergebnisses durch den Verwalter/Versammlungsleiter zu dieser sicher erkennbar nachteiligen baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums durch einen einzelnen Eigentümer betrifft, hätte die derzeitig heftig diskutierte Problematik aufgrund diverser unterschiedlicher Rechtsauffassungen auch schon in dieser Entscheidung sehr viel intensiver behandelt werden müssen (ggf. auch durch Revisionszulassung). Auch über ggf. nachteilige bauliche Veränderungen einzelner Eigentümer kann durchaus gem. § 22 Abs. 1 WEG nach weitverbreiteter Auffassung (und auch der Gesetzesreformbegründung) ein zustimmender/genehmigender Mehrheits-"Zitterbeschluss" gefasst werden, selbst wenn dieser von sich benachteiligt fühlenden, überstimmten Eigentümern im Regelfall erfolgreich anfechtbar wäre.

Entsprechend der Begründung des Gesetzgebers zur Neuformulierung des § 22 WEG sollte die bisherige Rechtslage zu solchen Zitterbeschlüssen unverändert fortbestehen, auch wenn – dessen ungeachtet – durch den neuerlich in Abs. 1 eingeschobenen "wenn-Satz" ein heftiger Auslegungsstreit in der Fachliteratur entbrannt ist (vgl. insbesondere Aufsätze von Merle, Armbrüster und Abramenko in Fachzeitschriften aus jüngster Zeit). In Übereinstimmung mit zuletzt fundiert begründeter Meinung auch von J.-H. Schmidt vertrete ich nach wie vor die Auffassung, dass der Verwalter in Fällen (nachteiliger) baulicher Veränderungen des Gemeinschaftseigentums durch einzelne Eigentümer vor einer Abstimmung allein eindringliche Hinweise zur Rechtslage und auch zu Anfechtungsrisiken einschließlich der Kostenfolgen eines etwa nachfolgenden Beschlussanfechtungsverfahrens zu geben hat. Allerdings kann eine Gemeinschaft nach wie vor "unbewusst", aber auch "bewusst" rechtswidrige Mehrheitsbeschlüsse fassen, die dann auch mit diesem Ergebnis wahrheitsgemäß von einem Versammlungsleiter zu verkünden sind. Der Verwalter besitzt i.d.R. nicht die Verkündungskompetenz, in eigener rechtlicher Wertung Beschlussergebnisse "auf den Kopf zu stellen" und dadurch schon im Vorfeld eines Gerichtsverfahrens rechtsverbindlich Beschlussungültigkeiten (bzw. Antragsablehnungen gegen einen Mehrheitswillen) zu manifestieren. Eine solche Entscheidung steht allein im Anfechtungsfall dem Gericht zu, zumal in Einzelfällen Nachteilswertungen nach § 14 WEG äußerst schwierig sein können. Ein Verwalter muss hier nicht spontan eigene Ermessenswertungen zum auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff "Nachteil" vornehmen. Er ist auch nicht streitentscheidender Richter oder Vormund einer Gemeinschaft. Auch die Anfechtungslast liegt damit nach Gesetz beim einzelnen Eigentümer.

Beschlussvollzugsprobleme (nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG) entstehen im Übrigen in einem solchen Fall für den Verwalter nicht, wenn es um die Gestattung der beabsichtigten ...

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