Von einem Rechtsmangel i. S. v. § 536 Abs. 3 BGB spricht man, wenn dem Mieter der vertragsmäßige Gebrauch durch das Recht eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen wird. Dritter im Sinne dieser Vorschrift ist derjenige, der ein schuldrechtliches oder dingliches Recht an der Mietsache hat, durch dessen Ausübung der Mietgebrauch beeinträchtigt werden kann. Die bloße Existenz des Dritten und das Bestehen des Rechts begründen allerdings noch keinen Mangel; vielmehr ist erforderlich, dass der Dritte von seinem Recht tatsächlich Gebrauch macht und dieser Umstand zu einer Gebrauchsbeeinträchtigung führt.[1] Der Rechtsinhaber muss seinen Anspruch allerdings nicht gerichtlich geltend machen. Es genügt, wenn die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs gegenüber dem Mieter angedroht wird.[2] In der Praxis sind insbesondere die nachfolgenden Fälle von Bedeutung.

[1] BGHZ 63 S. 138; BGH, Urteil v. 4.10.1995, XII ZR 215/94, NJW 1996 S. 46; BGH, Urteil v. 23.12.1998, XII ZR 49/97, NZM 1999 S. 461.
[2] BGH, Urteil v. 18.1.1995, XII ZR 30/93, NJW-RR 1995 S. 715 = ZMR 1995 S. 480; BGH, Urteil v. 4.10.1995, XII ZR 215/94, NJW 1996 S. 46 = ZMR 1996 S. 15; BGH, Urteil v. 23.12.1998, XII ZR 49/97, NZM 1999 S. 461.

1.2.1 Doppelvermietung

Eine Doppelvermietung liegt vor, wenn der Vermieter ein und dieselbe Mietsache zur gleichen Zeit mehrmals an verschiedene Personen vermietet.

1.2.1.1 Rechtslage vor der Überlassung der Wohnung an einen der Mieter

Im Fall der Doppelvermietung sind beide Mietverträge wirksam.[1] Jeder Mieter hat gegen den Vermieter einen Anspruch auf Überlassung der Mietsache.[2] Dem Vermieter steht es frei, welchen Vertrag er erfüllt; auf die zeitliche Abfolge der jeweiligen Vertragsabschlüsse kommt es nicht an.[3] Das Prinzip der Priorität gilt nicht.[4] Es spielt keine Rolle, ob der Erfüllungsanspruch eines Mieters bereits tituliert ist. Beide Mieter können den Erfüllungsanspruch klageweise geltend machen. Ein Fall des § 275 BGB liegt nicht vor, weil der Vermieter zur Erfüllung in der Lage ist.

Streitig ist, ob der Anspruch auf Besitzüberlassung im Wege der einstweiligen Verfügung gesichert werden kann, etwa im Wege eines Anspruchs gegen den Vermieter auf Unterlassung eines weiteren Vertragsschlusses[5] oder eines Anspruchs gegen den Vermieter, es zu unterlassen, dem jeweils anderen den Besitz einzuräumen[6] oder ob der Erlass einer einstweiligen Verfügung deshalb ausgeschlossen ist, weil das Gericht nicht in die Entscheidung des Vermieters eingreifen darf.[7] Die letztgenannte Ansicht ist zutreffend, weil die einstweilige Verfügung ihre Sicherungsfunktion bei konkurrierenden Überlassungsansprüchen nicht erfüllen kann.[8]

[4] Kluth/Grün, NZM 2002, S. 473 f..
[5] So OLG Düsseldorf, Urteil v. 4.10.1990, 10 U 93/90, NJW-RR 1991 S. 137; Wichert, ZMR 1997, S. 16; Derleder/Pellegrino, NZM 1998, S. 550, 556.
[6] Kluth/Grün, NZM 2002, S. 473, 476.
[7] so OLG Frankfurt, Urteil v. 28.8.1996, 17 W 22/96, ZMR 1997 S. 22; KG Berlin, Urteil v. 19.11.1998, 8 U 6420/98, MDR 1999 S. 927; OLG Schleswig, Urteil v. 12.7.2000, 4 U 76/00, MDR 2000 S. 1428; Schmid-Harting, Miete und Mietprozess, 2001, Kap. 8 Rn. 114; Kap. 24 Rn. 148; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2. Aufl. 1999, Vorbem. zu § 935 Rn. 40; Ulrici, ZMR 2002, S. 881.
[8] Ulrici, a. a. O.

1.2.1.2 Rechtslage nach der Überlassung der Wohnung an einen der Mieter

Wer als erster den rechtmäßigen Mietbesitz erlangt, sei es im Wege der freiwilligen Überlassung durch den Vermieter, sei es im Wege der Zwangsvollstreckung, kann den Mietgebrauch ungestört ausüben. Der Vermieter kann diesem Mieter wegen des Erfüllungsanspruchs der anderen Mieter nicht kündigen; die anderen Mieter können vom Besitzer nicht die Herausgabe der Mietsache verlangen. Im Verhältnis zum Besitzer liegt also kein Rechtsmangel vor. Alle anderen Mieter können dagegen die Rechte aus § 536a BGB geltend machen. Da ein anfänglicher Rechtsmangel gegeben ist, haftet der Vermieter auch dann auf Schadensersatz, wenn ihn an der Doppelvermietung kein Verschulden trifft. Fraglich ist, ob die übergangenen Mieter, trotz der Überlassung der Mietsache an einen anderen, den Erfüllungsanspruch geltend machen können. Dies wird mit der Erwägung bejaht, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es dem Vermieter gelingt, mit dem Besitzer einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Dies sei erst im Vollstreckungsverfahren zu prüfen.[1]

[1] Kluth/Grün, NZM 2002, S. 473, 478.

1.2.2 Untervermietung

Ist das Hauptmietverhältnis beendet, so kann der Hauptvermieter die Mietsache nach § 546 Abs. 2 BGB auch vom Untermieter herausverlangen. Wird dieser Anspruch geltend gemacht, so ist ein Rechtsmangel gegeben.[1] Der Bestand des Untermietverhältnisses wird hierdurch nicht berührt. Nach dem Rechtsentscheid des OLG Hamm vom 26.8.1987[2] genügt es, wenn der Hauptvermieter den Untermieter nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses zur Mietzahlung an sich selbst auffordert mit der Drohung, er werde anderenfalls Räumung und Herausgabe der Wohnung verlangen....

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