Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vorliegen einer stationären Krankenhausbehandlung. Vergütungsanspruch eines Krankenhausträgers für erbrachte Krankenhausleistungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird ein Versicherter zur Durchführung einer bestimmten Therapie stationär aufgenommen und behandelt, kommt es für die Frage der Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung lediglich darauf an, ob zur Durchführung dieser Therapie vollstationäre Bedingungen erforderlich waren. Unerheblich ist, ob andere Therapiemöglichkeiten stationäre Bedingungen erfordern.

2. Krankenhausbehandlung ist nicht bereits deshalb erforderlich, weil eine bestimmte Leistung, die ambulant erbracht werden kann, vertragsärztlich mangels positiver Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung geleistet werden darf (BSG vom 16.12.2008 - B 1 KR 11/08 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 19). .

3. Für den Vergütungsanspruch eines Krankenhausträgers ist es unerheblich, ob der Versicherte tatsächlich die Möglichkeit hatte, diese (in der vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassene) Leistung ambulant in Anspruch zu nehmen, solange sein Versorgungsanspruch mit dieser Therapie nicht ausdrücklich festgestellt wurde und keine besondere Eilbedürftigkeit für die sofortige Durchführung der Therapie bestand.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 2.640,48 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte die Kosten eines stationären Krankenhausaufenthaltes ihres Versicherten zur Durchführung einer extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) zu tragen hat.

Die Klägerin ist Trägerin des Städtischen Klinikums M. (im Folgenden: Krankenhaus), das in den Krankenhausplan des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen ist. Der am ... 1965 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Patient S. M. war seit August 2002 an einer Induratio Penis Plastica (IPP, Penisverkrümmung) nach links von 40 bis 50 Grad verbunden mit Schmerzen während der Erektion und während des Geschlechtsverkehrs erkrankt. Nach einer Untersuchung in der Klinik der Klägerin handelte es sich um einen 8 x 9 mm großen Plaque im Penisschaftbereich, eingebettet in einen 1 x 2 cm großen Entzündungsherd. Nach sechsmonatiger ambulanter medikamentöser Therapie ohne Besserung verordnete der behandelnde Urologe im ... 2003 und nochmals im ... 2003 Krankenhausbehandlung wegen IPP zur Durchführung einer ESWT.

Bei der ESWT werden Stoßwellen von sehr hoher Energie durch kurze Schallimpulse produziert, die zur Behandlung der IPP direkt auf die Verhärtung oder den Plaque gerichtet werden. Der genaue Wirkmechanismus der ESWT ist unbekannt. Es wird vermutet wird, dass die ESWT zu einer erhöhten Durchblutung des Gebietes nach induzierter Mikrotraumatisierung führt und die folgende Entzündungsreaktion dann die Auflösung der Plaques bewirke. Studien verzeichneten bei über 80 % der Patienten eine Besserung der Schmerzsymptomatik, bei 50 % eine Verbesserung der Erektionsfähigkeit und bei 40 % der Patienten eine Abnahme der Verkrümmung. Umfassende Multicenter-Studien existieren bislang noch nicht (vgl. zum Ganzen www.klinikum-lev.de./Medizin/Urologie/Urologie-Leistung-Penis.html). Eine Narkose oder eine lokale Betäubung ist für die ca. 10minütige Behandlung nicht notwendig. In der Regel werden 4 bis 5 Behandlungen im Abstand von jeweils 2 Wochen durchgeführt. Die Nebenwirkungen werden weitgehend als minimal beschrieben. In wenigen Fällen kommt es zu Blutergüssen der Penishaut, selten sind Blutungen aus der Harnröhre, die meistens spontan zum Stillstand kommen.

Zur Durchführung der ESWT wurde der Versicherte jeweils im ... 2003 einen Tag im Klinikum der Klägerin stationär behandelt. Er hatte zuvor eine Patientenaufklärung unterzeichnet, in welcher auf die Neuartigkeit der ESWT zur Behandlung der IPP sowie die Ungewissheit des Behandlungserfolges hingewiesen wurde. Der Versicherte tolerierte die Behandlungen gut, Komplikationen ereigneten sich nicht. Die Schmerzsymptomatik war deutlich rückläufig, die Erektion verbessert. Ambulant wurde die medikamentöse Therapie mit Potaba-Glenwood fortgesetzt. Eine stationäre Wiederaufnahme zur Fortführung der ESWT-Behandlung wurde für den ... 2003 vereinbart.

Nach Übersenden der Aufnahmeanzeige gab die Beklagte jeweils eine unbefristete Kostenzusage ab. Die Klägerin stellte der Beklagten mit Rechnungen vom ... 2003 und ... 2003 für den Krankenhausaufenthalt des Versicherten im ... 2003 892,16 EUR und für die Aufenthalte ... 2003 jeweils 874,16 EUR in Rechnung.

Die Beklagte bezahlte die Rechnungen unter Vorbehalt und veranlasste eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK). Dieser führte am ... 2003 aus, die ESWT sei bei der vorliegenden Indikation keine in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Therapie. Über die Wirksamkeit der Methode seien in diesem Zusammenhang keine ausrei...

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