Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Voraussetzung der Gewährung eines Mehrbedarfs wegen einer Behinderung

 

Orientierungssatz

Die Gewährung eines Mehrbedarfs im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende wegen Behinderung setzt voraus, dass der betroffene Grundsicherungsempfänger zugleich tatsächlich auch Leistungen bzw. Hilfen zur Eingliederung im Rahmen einer konkreten regelförmigen Maßnahme erhält. Allein ein bestehender Anspruch auf solche Leistungen führt dagegen nicht zur Zuerkennung eines Mehrbedarfs. Ein allgemeiner Mehrbedarf für behinderte Menschen ist dagegen im SGB 2 nicht vorgesehen.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Weitere außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Zeitraum 1. Juli 2007 bis zum 30. Juni 2008.

Der am ... 1971 geborene Kläger bezog bis zum 4. Juni 2006 Arbeitslosengeld in Höhe von 30,40 EUR täglich. Daneben erhielt er Wohngeld in Höhe von 63,00 EUR monatlich. Der Kläger ist aufgrund einer hochgradigen Sehschwäche schwerbehindert und es ist ein Grad der Behinderung von 100 seit dem Jahr 2001 festgestellt. Sein Schwerbehindertenausweis weist für die Nachteilsausgleiche die Merkzeichen "G", "H", "RF" und "BL" auf sowie die Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson: Merkzeichen "B" auf. Bis zum Jahr 2000 war der Kläger in seinen erlernten Berufen als Masseur und medizinischer Bademeister sowie als Physiotherapeut tätig. Von Januar 2001 bis Juli 2003 machte er eine Umschulung zum Informatikkaufmann am Berufsförderungswerk in H und war von September 2004 bis Juli 2005 als pädagogischer Mitarbeiter für Therapie am Landesblindenzentrum für B. und S. "H.-von-H." in H. tätig. Die Arbeitsgemeinschaft SGB II H GmbH (künftig Arge), die Rechtsvorgängerin des Beklagten, bewilligte dem Kläger Leistungen ab dem 5. Juni 2006. Die Arge bewilligte ihm die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts und Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 692,99 EUR monatlich und zusätzlich einen Zuschlag nach dem Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von anfänglich 160,00 EUR.

Am 31. Mai 2007 beantragte der Kläger bei der Arge die Fortzahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Mit Bescheid vom 19. Juni 2007 bewilligte die Arge ihm Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von 748,50 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 31. Dezember 2007. Hierbei entfielen 347,00 EUR auf die Regelleistung für erwerbsfähige Hilfebedürftige, 321,50 EUR auf die monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung sowie 80,00 EUR auf den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld im zweiten Jahr. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 2. Juli 2007 Widerspruch ein und begründete diesen wie folgt: Wie schon in den früheren Bescheiden sei auch in diesem Bescheid ein Mehrbedarf für Behinderte nicht berücksichtigt worden. Im Übrigen wende er sich gegen die nicht vollständige Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung. Mit Bescheid vom 23. November 2007 bewilligte die Arge dem Kläger Leistungen vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2008 in Höhe von unverändert 748,50 EUR monatlich und für den Monat Juni 2008 in Höhe von 679,17 EUR, wobei sie nur einen anteiligen befristeten Zuschlag nach Arbeitslosengeldbezug in Höhe von 10,67 EUR für diesen Monat berücksichtigte. Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 11. Dezember 2007 Widerspruch ein. Mit zwei Änderungsbescheiden vom 16. Januar 2008 berücksichtigte die Arge geringfügig erhöhte Kosten für Unterkunft und Heizung, sodass sich der monatliche Gesamtbetrag für Juli 2007 bis zum 31. Mai 2008 auf 752,86 EUR und für Juni 2008 auf 683,53 EUR erhöhte. Im Übrigen wies die Arge die Widersprüche des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2008 für den Bewilligungsabschnitt Juli 2007 bis 31. Dezember 2007 und mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2008 für den Bewilligungsabschnitt von Januar 2008 bis zum 30. Juni 2008 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 4 SGB II für erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden in Höhe von 35 von Hundert der maßgeblichen Regelleistung, komme nicht in Betracht. Es müssten tatsächlich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden. Hierfür reiche es nicht aus, wenn der behinderte Hilfebedürftige lediglich grundsätzlich die Voraussetzungen hierfür erfülle.

Gegen beide Widerspruchsbescheide hat der Kläger am 13. Februar 2008 Klage vor dem Sozialgericht Halle (SG) erhoben und diese in Bezug auf den behinderungsbedingten Mehrbedarf wie folgt begründet: In einer Entscheidung des SG Berlin vom 16. September 2005 werde eindeutig festgestellt, dass gerade Behinderten besonders hohe Bewerbungsbemühungen auferlegt würden und sie...

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