Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Pflegeheim. Heimentgelt. Kürzung. Abwesenheitszeiträume. Drei-Tages-Regelung des § 87a Abs 1 S 7 SGB 11. Auslegung. Schiedsstellenentscheidung. Besetzung der Schiedsstelle. Tätigkeit als Verbandsvertreter in Rahmenvertragsverhandlungen der Landespflegesatzkommission

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Tätigkeit als Verbandsvertreter in Rahmenvertragsverhandlungen der Landespflegesatzkommission steht einer Mitwirkung als Mitglied der Schiedsstelle nach § 76 SGB XI nicht entgegen. Die paritätische Besetzung der Schiedsstelle ua mit Vertretern der Pflegekassen und der Pflegeeinrichtungen ist gesetzlich vorgesehen (§ 76 Abs 2 SGB XI), ua um die erforderliche Fachkompetenz zu gewährleisten. Eine ursprüngliche Interessengebundenheit setzt sich in der Schiedsstellentätigkeit nicht fort. Die Unabhängigkeit der Mitglieder wird durch die Weisungsfreiheit nach § 76 Abs 3 Satz 2 SGB XI geschützt.

2. Aufgrund der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle ist eine Schiedsstellenentscheidung, die im Streit über die Abschläge von der Pflegevergütung bei vorübergehender Abwesenheit (§ 75 Abs 2 Nr 5 SGB XI) eine vertretbare Gesetzesauslegung von § 87a Abs 1 Satz 5 und 6 SGB X zugrundelegt, nicht zu beanstanden.

3. Eine Auslegung, nach der die Drei-Tages-Regel bei jeder Abwesenheit der Pflegebedürftigen von der Einrichtung neu anzuwenden ist, hält sich im Rahmen den möglichen Auslegungen von § 87a Abs 1 Satz 5 und 6 SGB XI. Denn dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht zu entnehmen, ob die Drei-Tages-Regelung nur einmal im Kalenderjahr oder bei jeder einzelnen Abwesenheit anzuwenden ist.

 

Normenkette

SGB X § 31; SGB XI §§ 43, 75 Abs. 1, 2 Nr. 5, Abs. 4, § 76 Abs. 2, 3 S. 2, § 87a Abs. 1 Sätze 5-7; WBVG § 7 Abs. 5 Sätze 1-3; SGG § 54 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.01.2017; Aktenzeichen B 3 P 3/15 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 8-17 zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 118.495,22 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Das klagende Land wendet sich in seiner Funktion als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (im Folgenden: der Kläger) gegen den Schiedsspruch der Beklagten vom 10. Juni 2010, mit dem diese eine Abwesenheitsregelung zu § 25 des Rahmenvertrages nach § 75 des Sozialgesetzbuches Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) festgelegt hat.

Die Beigeladenen haben unter Beteiligung (u. a.) des Klägers den Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI zur vollstationären Pflege geschlossen. Nach der gesetzlichen Regelung in § 75 Abs. 2 Nr. 5 SGB XI in der vom 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2008 jeweils gültigen Verfassung waren in dem Vertrag Abschläge von der Pflegevergütung bei vorübergehender Abwesenheit (Krankenhausaufenthalt, Beurlaubung) des Pflegebedürftigen aus dem Pflegeheim zu regeln. Zur Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtung haben die Vertragspartner in § 25 des Rahmenvertrages (Abwesenheit des Pflegebedürftigen) Folgendes vereinbart: “Die Partner des Rahmenvertrages erklären den Beschluss der Landespflegesatzkommission zur Abwesenheitsregelung in der jeweils gültigen Fassung zum Vertragsbestandteil„. Hintergrund dieser gleitenden Verweisung war die Übereinstimmung der Vertragspartner, bei möglichen Veränderungen der Regelungen zur Abwesenheit von Heimbewohnern den Rahmenvertrag nicht stets neu verhandeln zu müssen. Mit Beschluss der Landespflegesatzkommission vom 9. Oktober 2003 wurde zur Ausfüllung des § 25 des Rahmenvertrages die nachfolgende Regelung getroffen:

1. Bei vorübergehender Abwesenheit des Heimbewohners bis zu drei Tagen (Abreisetag, Abwesenheitstag, Anreisetag) wird das Gesamtheimentgelt, bestehend aus den Pflegesätzen für den pflegebedingten Aufwand, für Unterkunft und Verpflegung sowie für gesondert berechenbare Investitionskosten, in voller Höhe weitergezahlt. Diese Abwesenheitstage finden bei der Berechnung der Abwesenheitstage nach Abs. 2 keine Berücksichtigung.

2. Bei Abwesenheit des Heimbewohners wegen Krankheit oder Urlaub von mehr als drei Tagen wird das Gesamtheimentgelt ab dem ersten Abwesenheitstag, vermindert um den vereinbarten Verzehrgeldsatz für längstens 30 Kalendertage im Jahr weitergezahlt. Bei Abwesenheiten von mehr als drei Tagen gilt der Abreisetag aus der Pflegeeinrichtung als ein Abwesenheitstage und der Ankunftstag in der Pflegeeinrichtung als kein Abwesenheitstag.

3. Wechselt der Heimbewohner im laufenden Kalenderjahr die Pflegeeinrichtung, sind die Abwesenheitstage der/n vorhergehenden Pflegeeinrichtungen/en je Kalenderjahr von der aufnehmenden Pflegeeinrichtung kumulativ zu berücksichtigen.

4. Die Regelungen des § 87a SGB XI zur Berechnung und Zahlung des Heimentgeltes gelten entsprechend.

Auf der Grundlage dieser Regelung wurde der Rahmenvertrag von den Vertragspartnern einvernehmlich bis zum Jahr 2007 durchgeführt Mit Beschluss vom 24. Oktober 2007 legte die Landespflegesatzkommission hinsichtlich der vo...

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