Entscheidungsstichwort (Thema)

Kranken- und Pflegeversicherung. Zulässigkeit der Festsetzung der Höhe der Beiträge bei Selbstzahlern in einem gemeinsamen Beitragsbescheid. keine Berücksichtigung eines Verlustvortrags oder Verlustrücktrags nach § 10d EStG beim Arbeitseinkommen. Zulässigkeit einer rückwirkenden Erhöhung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es ist zulässig, in einem Bescheid über die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung zu entscheiden, solange deutlich wird, dass für beide Kassen gleichzeitig gehandelt wird.

2. Ein Verlustvortrag oder Verlustrücktrag nach § 10d EStG zählt nach Gesetzeswortlaut und Systematik des EStG nicht zu den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts.

3. Beiträge dürfen gemäß § 48 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 10 rückwirkend erhöht werden, soweit der Versicherte seiner Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

 

Normenkette

SGB IV § 15 Abs. 1 Sätze 1-2; SGB V § 206 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, §§ 223, 240 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 S. 1, Abs. 4 Sätze 2, 5; SGB XI § 20 Abs. 3, § 46 Abs. 2 Sätze 2, 4-5, § 54 Abs. 2, § 57 Abs. 4 S. 1; SGB X § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2; EStG §§ 7g, 10d

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der von der Klägerin zu leistenden Beiträge im Rahmen der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung (sPV) ab dem 1. Juli 2007.

Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin (im Weiteren nur Beklagte) seit dem 1. Juni 2005 kranken- und bei der Beigeladenen (bzw. der Rechtsvorgängerin) pflegeversichert und hat ein Kind. In ihrem Aufnahmeantrag gab sie als monatliches Einkommen aus selbständiger Tätigkeit 1.536,- EUR an. Weiterhin erhielt die Klägerin Überbrückungsgeld bis zum 14. September 2005.

Im Weiteren setzte die Beklagte - zugleich für die Pflegekasse handelnd - die Beiträge zur Pflege- und Krankenversicherung auf der Basis von rund 1.800,- EUR fest.

Am 30. November 2005 bat die Beklagte die Klägerin erstmalig, einen Einkommenssteuerbescheid einzureichen. Die Klägerin erwiderte, ihr läge bisher kein solcher Bescheid vor. Im September 2006 reagierte die Klägerin auf die Einkommensanfrage mit einer betriebswirtschaftlichen Auswertung für den Monat August 2006. Auf eine erneute Nachfrage der Beklagten vom 12. Oktober 2007 legte die Klägerin einen Fragebogen vor. Erst nachdem zwei weitere schriftliche Nachfragen nach Einkommenssteuerbescheiden ergebnislos blieben, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 29. November 2007, dass man nun eine Einstufung entsprechend eines monatlichen Einkommens i. H. der Beitragsbemessungsgrenze i. H. v. 3.562,50 EUR ansetzen werde. Erst nach Ablauf dieser Frist übersandte die Klägerin den Steuerbescheid vom 5. Juni 2007 für das Jahr 2005. Steuern wurden danach nicht erhoben, da der Gewinn mit einem Verlustvortrag verrechnet wurde. Die Klägerin wies darauf hin, dass sich das Jahresergebnis durch Umschichtung des Umlaufvermögens i. H. v. 113.602,- EUR auf 107.111,- EUR erhöht habe. Sie verfüge nicht über flüssige Mittel, wie die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb auf den ersten Blick erscheinen ließen. Mit Bescheid vom 12. Dezember 2007 setzte die Beklagte daraufhin die Beiträge mit 3.562,50 EUR - der Beitragsbemessungsgrenze - fest. Da der Einkommenssteuerbescheid vom 15. Juni 2007 nicht zeitnah übersandt worden sei, ergebe sich eine Beitragsneuberechnung ab dem 1. Juli 2007. Der Bescheid ergehe zugleich für die Pflegekasse.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und führte aus, dass im Jahre 2006 nur ein Verlust von 15.000,- EUR erwirtschaftet worden sei. Sie betreibe seit mehreren Jahren eine gewerbliche Tätigkeit als Bauträger. Die Gewinnermittlung erfolge gem. § 4 Abs. 3 Einkommenssteuergesetz (EStG). Die Betriebsausgaben seien incl. Umlaufvermögen im Jahr des Abflusses als Betriebsausgabe verbucht worden. Dies habe in der Vergangenheit zu hohen steuerlichen Verlusten geführt. Der Gesetzgeber habe das Abflussprinzip gestrichen. Sie habe sich dann freiwillig für die Rücknahme dieser Betriebsausgaben entschieden, wodurch in einem Folgejahr ein hoher Gewinn entstanden sei, der mit den steuerrechtlichen Verlusten verrechnet werden konnte. Diese rein steuerrechtliche Gewinnkorrektur bewirke keine Einnahmen.

Ergänzend führte die Klägerin aus, sie besäße durch ihre Tätigkeit als Bauträger Immobilien ohne Mieteinnahmen oder Einnahmen durch Verkauf. Die Betriebsausgaben dieser Objekte mache sie jedoch steuerlich geltend. Bisher ständen diesen Ausgaben keine Einnahmen gegenüber. Die Änderung der Abführung führe dazu, aktuell weniger Betriebsausgaben geltend zu machen, um zum Zeitpunkt der Vermietung oder des Verkaufes diesen Gewinnen Ausgaben entgegensetzen zu können. Dem en...

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