Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. Fußheberschwäche. Nervenausfall peronaeus profundus. Wirbelsäulenschäden. Gesamt-GdB von 50. Merkzeichen G. erhebliche Gehbehinderung. Funktionsbeeinträchtigungen. Tinnitus. Wesentliche Änderung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem nicht vollständigen beidseitigen Ausfall des Nervus peronaeus profundus kann für das Funktionssystem Beine allenfalls ein GdB von 40 angenommen werden. Eine Doppelbewertung der Radikulärsymptomatik im Funktionssystem Beine und im Funktionssystem Rumpf ist unzulässig.

 

Orientierungssatz

1. Die Feststellung des Merkzeichens G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) setzt die Schwerbehinderung und damit einen Gesamt-GdB von 50 voraus.

2. Zu den in der Anlage zu § 2 VersMedV geregelten Versorgungsmedizinischen Grundsätzen Teil B Nr 18.14 (Nervenausfall peronaeus profundus), Teil B Nr 18.9 (Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionalen Auswirkungen), Teil B Nr 5.3 (Tinnitus und Menière-Krankheit) sowie zur Bildung eines Gesamt-GdB.

 

Normenkette

SGB IX § 69 Abs. 1, 3, § 2 Abs. 2; VersMedV § 2; BVG § 30 Abs. 1, § 16; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Der Beklagte wird verpflichtet, bei dem Kläger ab 5. Dezember 2012 einen Grad der Behinderung von 50 und das Merkzeichen G festzustellen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Urteilstenor ist gem. § 138 SGG berichtigt durch Beschluss des Vorsitzenden vom 25.02.2014

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 sowie die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) ab April 2009 vorliegen.

Der am ...1958 geborene Kläger beantragte bereits am 4. Oktober 1993 beim Beklagten die Feststellung von Behinderungen wegen einer Peronaeusparese und einer Schilddrüsenerkrankung. Der Facharzt für Orthopädie Dr. H. berichtete über eine Bandscheibenoperation im Bereich L4/5 im September 1992 und diagnostizierte ein rechtsseitiges Schonhinken, eine Fußheberlähmung mit Fallfuß und eine Wadenmuskelatrophie. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. P. teilte mit, nach einer Strumaoperation im Jahr 1983 sei der Laborbefund unauffällig und der Kläger beschwerdefrei. Der beteiligte Ärztliche Dienst des Beklagten schlug daraufhin für die Fußheberlähmung rechts einen GdB von 30, die Schilddrüsenerkrankung einen GdB von 10 und einen Gesamt-GdB von 30 vor. Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 13. Januar 1994 beim Kläger ab 22. September 1993 einen GdB von 30 fest. Nach dem Widerspruch des Klägers schlug der Ärztliche Dienst des Beklagten außerdem für die Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule (LWS) einen GdB von 10, aber keine Erhöhung des Gesamt-GdB vor. Dem folgend änderte der Beklagte den Bescheid vom 13. Januar 1994 durch den Widerspruchsbescheid vom 28. September 1995 dahingehend ab.

Am 7. April 2009 stellte der Kläger einen Neufeststellungsantrag und beantragte das Merkzeichen G wegen einer linksseitigen Fußheberparese. In Anlage übersandte er den Arztbrief des Städtischen Klinikums D. vom 5. März 2009 über den stationären Aufenthalt vom 27. Februar bis 6. März 2009 aufgrund eines sensomotorischen Radikulärsyndroms L4/5 linksseitig sowie eines Zustandes nach Nukleotomie mit Plegie (vollständige Lähmung) des Fußhebers sowie Großzehenhebers rechts. Die stationäre Aufnahme des Klägers sei mit Großzehenheber- und Fußheberparese links (Janda III bis IV) erfolgt. Die durchgeführte Magnetresonanztomographie (MRT) der LWS habe eine Retrolisthese LWK3/4 mit mediolateralem Bandscheibenprolaps im Bereich LWK 3/4 und eine Tangierung der Nervenwurzel L4 und L5 mit deutlicher Einengung des Spinalkanals gezeigt. Mit einem weiteren Arztbrief des Klinikums D. vom 21. April 2009 wurde über die stationäre Behandlung des Klägers im April 2009 berichtet, da sich eine erneute deutliche Zunahme des Leidensdrucks ergeben habe. Wegen einer anhaltenden Großzehenheber- und Fußheberparese linksseitig sei eine Elektromyographie durchgeführt worden. Dabei habe sich ein sensomotorisches Radikulärsyndrom L5 links gezeigt. Da postoperativ eine Verbesserung des Taubheitsgefühls im Dermatom L5 sowie eine diskrete Verbesserung der Motorik zu verzeichnen gewesen seien, sei mittelgradig eine weitere Verbesserung der motorischen Komponente links zu erwarten. Außerdem lag der Entlassungsbericht vom 29. Mai 2009 über die Anschlussheilbehandlung des Klägers in B. S. vor. Der Aufnahmebefund habe ein sicheres, links hinkendes Gangbild gezeigt. Der Fersenstand beidseits sei nicht möglich gewesen. Die Wirbelsäule (Brustwirbelsäule/LWS) habe folgenden Befund gezeigt: Seitneige 20/0/20° nach der Neutral-Null-Methode, Rotation 30/0/30°, Muskeleigenreflexe: Patellarsehnenreflex (PSR) beidseits auslösbar, Achillessehnenreflex (ASR) beidseits nicht auslösbar, Hypästhesie ...

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