Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. Versorgungsmedizinische Grundsätze. rechte Hüftgelenk-Totalendoprothese vor Änderung der Grundsätze. linke Hüftgelenk-Totalendoprothese nach Änderung der Grundsätze. mehr als GdB von 20 nur bei Beeinträchtigung der Versorgungsqualität. Wirbelsäulenschäden. Gesamt-GdS

 

Leitsatz (amtlich)

Ein GdB von 30 kann nach Änderung der VMG erst bei beidseitigen Hüfttotalendoprothesen (TEP) mit Beeinträchtigung der Versorgungsqualität angenommen werden (Teil B Nr 18.12). Sofern eine Hüft-TEP vor der Änderung und eine nach der Änderung der VMG implantiert wurde und keine Beeinträchtigung der Versorgungsqualität vorliegt, verbleibt es bei einem GdB von 20.

 

Orientierungssatz

Zur GdB-Feststellung nach den in der Anlage zu § 2 VersMedV geregelten Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VMG), insbesondere Teil B Nr 18.12 (Endoprothesen) und Teil B Nr 18.9 (Wirbelsäulenschäden).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.08.2017; Aktenzeichen B 9 SB 31/17 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 ab dem 26. Oktober 2010.

Der am ... 1950 geborene Kläger beantragte am 26. Oktober 2010 die Feststellung von Behinderungen wegen Beeinträchtigungen der Hüft- und Fußgelenke, der Wirbelsäule und machte außerdem Bluthochdruck sowie Tinnitus geltend. Der Beklagte holte Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers ein. Der Facharzt für Orthopädie Privatdozent (PD) Dr. G. diagnostizierte am 25. November 2010 einen Zustand nach einer Hüft-Totalendoprothese (TEP) rechts, eine Coxarthrose links, multiple Bandscheibenvorfälle lumbal, eine Spinalkanalstenose, eine Sprunggelenksarthrose rechts sowie einen Zustand nach Ermüdungsfraktur des rechten Oberschenkelhalses. Die Fachärztin für Hals-Nasen-Ohren-(HNO)-Heilkunde Dr. S. diagnostizierte mit Befundschein vom 6. Januar 2011 eine linksseitige geringe Schallempfindungsschwerhörigkeit und einen kompensierten Tinnitus. Der beteiligte ärztliche Dienst des Beklagten schlug in Auswertung der Befunde für die Ohrgeräusche, die Hüft-TEP rechts und die Hüftgelenksarthrose links jeweils einen Einzel-GdB von 10 sowie einen Gesamt-GdB von 10 vor. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21. Februar 2011 die Feststellung eines GdB ab, weil die bestehenden Gesundheitsstörungen keinen GdB von wenigstens 20 bedingten.

Dagegen legte der Kläger am 15. März 2011 Widerspruch ein und verwies auf eine beigelegte ärztliche Bescheinigung des PD Dr. G. vom 20. Juni 2011. Danach sei die hochgradige Sprunggelenksarthrose des Klägers zu berücksichtigen und verwies dazu auf den Bericht des Radiologen F. vom November 2007. Der nochmals beteiligte ärztliche Dienst des Beklagten stellte daraufhin für die Funktionsstörung des rechten Sprunggelenks sowie die Funktionsstörung der Wirbelsäule wegen Bandscheibenvorfalls und Spinalkanalenge jeweils einen Einzel-GdB von 10 und weiterhin einen Gesamt-GdB von 10 fest. Dem folgend wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2011 den Widerspruch des Klägers zurück.

Dagegen hat der Kläger am 1. Dezember 2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Halle erhoben und vorgetragen: Ein Gesamt-GdB von mindestens 50 ab Antragstellung sei wegen der TEP des rechten Hüftgelenks, der Hüftgelenksarthrose links und der Wirbelsäulenbeeinträchtigungen anzunehmen.

Das SG hat den Bericht der Saale-Reha-Kliniken B. über die stationäre Behandlung des Klägers im April 2012 beigezogen. Danach sei im März 2012 eine Hüft-TEP links bei Coxarthrose erfolgt. Während der Reha-Maßnahme wurden eine altersentsprechende Beweglichkeit sämtlicher Wirbelsäulenabschnitte ohne neurologische Defizite und eine Beweglichkeit beider Hüftgelenke von 0/0/90 Grad nach der Neutral-Null-Methode festgestellt. Der Kraftgrad der Hüftgelenke sei beidseits uneingeschränkt und die Durchblutung und Sensorik unauffällig gewesen.

Das Zentrum für Orthopädie und Neurochirurgie hat am 5. September 2012 und 16. September 2013 über die Behandlung des Klägers seit November 2010 wegen eines degenerativen Lendenwirbelsäulen-(LWS)-Syndroms bei Osteochondrose im Bereich L4 bis S1 mit deutlicher Stenosierung im Bereich L3/4 und L5/S1 berichtet. Die Reklination war bei Untersuchungen im Zeitraum von November 2010 bis August 2012 jeweils mit 10 Grad und die Seitneigung mit 10/0/10 Grad dokumentiert worden. Der Finger-Boden-Abstand (FBA) habe sich von 0 cm im November 2010 über 10 cm im August 2011 auf 30 cm im August 2012 verschlechtert. Die Muskeleigenreflexe seien jeweils seitengleich unauffällig gewesen. Am 20. September 2012 seien eine mikroskopische Dekompression und dynamische Stabilisierung im Bereich L2/3 erfolgt. Im November 2012 und Juni 2013 sei ein guter Sitz der Implantate festgestellt worden. Bei der im Juni 2013 durchgeführten Kontroll...

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