Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensmangel. Beweisantrag. Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit

 

Orientierungssatz

Zur Verletzung der Aufklärungspflicht wegen Nichtberücksichtigung eines Beweisantrages bezüglich der Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit im Rahmen der Feststellung von Berufsunfähigkeit.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.04.2001; Aktenzeichen B 13 RJ 23/00 R)

 

Tatbestand

Umstritten ist eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der ... 1942 geborene Kläger absolvierte vom 1. September 1956 bis 31. August 1959 eine Lehre zum Facharbeiter "Kessel- und Behälterbauer". Vom 15. Oktober 1959 bis 31. März 1962 war er als Formenträger und vom 1. April 1962 bis 10. September 1976 als Kraftfahrer und Meßgehilfe tätig. Vom 10. September 1976 bis 30. November 1978 war er Aufkäufer von Wertstoffen für das Entsorgungssystem Sero, wobei er für diese Zeit keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtete. Anschließend war er vom 1. Dezember 1978 bis 5. Oktober 1994 beim Rat der Gemeinde G, ab 1. Januar 1992 beim Kreisschulamt S als Schulhausmeister und (zeitweise) Heizer beschäftigt. Seit 2. März 1993 war er arbeitsunfähig mit Bezug von Krankengeld seit 13. April 1993. Nach einer Begutachtung vom 19. Oktober 1993 durch Medizinalrat N für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung bestanden beim Kläger ein therapieresistentes chronisches Wirbelsäulensyndrom mit Folgezustand nach Morbus Scheuermann und Bewegungseinschränkungen im Hals- und Brustwirbelsäulenbereich sowie multiple Gelenkbeschwerden ohne Bewegungseinschränkungen.

Am 19. Januar 1994 beantragte der Kläger bei der Beklagten über die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Vom 23. Februar bis 23. März 1994 befand er sich zu einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Kurklinik Teufelsbad in B. Im Abschlußbericht vom 21. März 1994 erhoben die Dres. F und K die Befunde "Rundrücken bei Wirbelsäulendegeneration" und "Polyarthrose" und stellten fest, der Kläger könne noch einer leichten Tätigkeit nachgehen, solle dabei aber schweres Heben und Tragen sowie Bücken, Hocken und Knien vermeiden.

Mit Bescheid vom 23. September 1994 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers zwar durch Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule und der Gelenke beeinträchtigt sei, er aber mit dem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeiten vollschichtig verrichten könne. Mit seinem dagegen am 5. Oktober 1994 erhobenen Widerspruch wies der Kläger auf eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes, unter anderem auf ein Absterben seiner Finger hin. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Neurologe und Psychiater Dr. W das nervenfachärztliche Gutachten vom 21. August 1995. Er fand beim Kläger eine mittelschwere hypochondrisch-neurotische Fehlentwicklung auf der Basis einer primär abnorm strukturierten Persönlichkeit mit völlig fehlender Genesungsmotivation. Der Kläger sei aber noch für vollschichtig leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsatzfähig, zB. als Hausmeister mit frei wählbaren Pausen und eigener Arbeitsorganisation. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 1995 wies die Beklagte den Widerspruch mit im Wesentlichen folgender Begründung als unbegründet zurück: Der Kläger sei nicht berufsunfähig, weil sein Leistungsvermögen gegenüber dem eines vergleichbaren gesunden Versicherten noch nicht um mehr als die Hälfte herabgesunken sei. Die ärztlichen Untersuchungen hätten ergeben, daß er noch ohne Beeinträchtigung seiner Gesundheit leichte Arbeiten mit bestimmten qualitativen Einschränkungen vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten könne. Er dürfe auch auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, da er aufgrund seines beruflichen Werdeganges als angelernte Arbeitskraft zu beurteilen sei. Daran ändere seine Ausbildung zum Kesselbauer nichts, weil er diesen Beruf nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben, sondern sich beruflich neu orientiert habe. Bei vollschichtiger Leistungsfähigkeit sei der Arbeitsmarkt nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nicht als verschlossen anzusehen, auch wenn zusätzlich weitere Funktionseinschränkungen bestünden. Da Berufsunfähigkeit nicht vorliege, seien zugleich auch die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht gegeben. Der Anspruch auf Invalidenrente bestehe ebenfalls nicht.

Mit seiner am 30. Oktober 1995 beim Sozialgericht Halle (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und unter anderem auf eine "Taubheit der linken Hand" und des "Unterkörpers ab Hüfte" hingewiesen. Das SG hat u.a. Befundberichte vom Allgemeinmediziner U und dem Orthopäden Dr. H eingeholt, in denen krankhaften Veränderungen der Wirbelsäule, eine degenerative Arthralgie beider Ellenbogengelenke und eine beginnende Protrusions-Coxarthrose beschrieben werden. Außerdem bestehe eine Psycholabilität mit Suizidgefährdung. Ferner hat das SG Beweis erhoben durch das facho...

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