Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss. keine Fristgebundenheit. Verwirkung. Terminsgebühr. einstweiliger Rechtsschutz. Anfall trotz nicht obligatorischer mündlicher Verhandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 56 RVG ist nicht an eine Frist gebunden. Das Erinnerungsrecht kann zwar verwirkt sein. Allein der Ablauf von etwas mehr als eineinhalb Jahren begründet - jedenfalls ohne Hinzutreten weiterer Umstände - keine Verwirkung.

2. Dem Anfall einer Terminsgebühr gem Vorbem 3 Abs 3 Var 3 VV RVG aF (juris: RVG-VV) steht nicht entgegen, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Februar 2015 wird aufgehoben. Die Erinnerung gegen den Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss vom 20. April 2011 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beschwerde betrifft den Anfall einer Terminsgebühr.

Die drei Antragsteller des Ausgangsverfahrens suchten, anwaltlich vertreten durch den Erinnerungsgegner und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer), einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Magdeburg. Mit ihrem Antrag vom 14. Februar 2011 begehrten sie eine vorläufige Verpflichtung des Jobcenters Börde (im Folgenden: Antragsgegner), ihnen laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) zu leisten und ihnen eine Zusage für die Übernahme von Unterkunftskosten für eine neue Wohnung zu erteilen.

Der Vorsitzende der zuständigen Kammer des Sozialgerichts beraumte einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage für den 22. Februar 2011 an. Diesen Termin hob er allerdings am 21. Februar 2011 wieder auf. Vorangegangen waren eine schriftliche Mitteilung des Beschwerdeführers und diverse Telefonate des Vorsitzenden mit den Beteiligten. Der Beschwerdeführer hatte schriftlich mitgeteilt, eine Mitarbeiterin des Antragsgegners habe ihn angerufen. Es sei die Übersendung von Antragsunterlagen und deren kurzfristige Bearbeitung besprochen worden. Deshalb sei der anberaumte Termin möglicherweise entbehrlich. Der Vorsitzende vermerkte am 21. Februar 2011 in der Akte, dass es nach seinen diversen Telefonaten mit dem Beschwerdeführer und der Mitarbeiterin des Antragsgegners "eigentlich hier nur noch um die Kosten" gehe. Am selben Tag unterbreitete der Antragsgegner mit Verweis auf ein Telefonat mit dem Beschwerdeführer einen schriftlichen Vergleichsvorschlag, den der Beschwerdeführer am 22. Februar 2011 namens der Antragsteller annahm. Hinsichtlich der Kosten sah der Vergleich vor, dass der Antragsgegner den Antragstellern 50 % ihrer außergerichtlichen Kosten erstattet.

Ebenfalls am 22. Februar 2011 bewilligte das Sozialgericht den Antragstellern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Beschwerdeführers.

Mit Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss vom 20. April 2011 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 811,58 EUR festgesetzt. Diese hat sie wie folgt errechnet:

1. Verfahrensgebühr § 14 RVG, Nr. 3102, 1008 VV RVG (2/3) 272,00 EUR

2. Einigungsgebühr § 14 RVG Nr. 1006, 1005 VV RVG 190,00 EUR

3. Terminsgebühr § 14 RVG, Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR

4. Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR

Zwischensumme 682,00 EUR

5. Umsatzsteuer 129,58 EUR

Erstattungsbetrag: 811,58 EUR

Mit dieser Festsetzung ist die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hinter dem Antrag des Beschwerdeführers zurückgeblieben; dieser hatte eine Verfahrensgebühr in Höhe von 400 EUR beantragt.

Mit Auszahlungsanordnung vom 26. April 2011 ist die Auszahlung der Vergütung an den Beschwerdeführer veranlasst worden.

Bereits unter dem 20. April 2011 hatte der Bezirksrevisor bei dem Landessozialgericht als Vertreter der Landeskasse (im Folgenden: Beschwerdegegner) den Antragsgegner zur Erstattung eines Betrags von 405,79 EUR aufgefordert. Daraufhin legte dieser am 23. Mai 2011 Erinnerung gegen diesen Kostenansatz ein und machte geltend, eine Terminsgebühr sei nicht entstanden. Mit Beschluss vom 5. November 2012 (2 SF 123/11 E) änderte das Sozialgericht die Kostenrechnung und setzte die zu erstattende Summe auf 286,79 EUR fest. Eine Terminsgebühr sei nicht entstanden; denn im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sei eine mündliche Verhandlung nicht obligatorisch vorgesehen. Deshalb könne der Sinn und Zweck des Gebührentatbestands aus Nr. 3106 VV RVG, kraft Gesetzes durchzuführende mündliche Verhandlungen im Einzelfall zu vermeiden, nicht erreicht werden.

Am 20. November 2012 hat der Beschwerdegegner Erinnerung gegen den Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss vom 20. April 2011 eingelegt. Er hat geltend gemacht, die festgesetzte Terminsgebühr sei nicht angefallen.

Mit Beschluss vom 10. Februar 2015 (2 SF 281/12 E) hat das Sozialgericht den Prozesskostenhil...

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