Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Kostenfestsetzung. Erinnerungsrecht. Frist. Verwirkung. Ausschluss einer fiktiven Terminsgebühr in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes

 

Orientierungssatz

1. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts nach § 56 RVG ist nicht fristgebunden. Das Erinnerungsrecht der Staatskasse gilt aber dann als verwirkt, wenn die Erinnerung nach Ablauf des auf den Festsetzungsbeschluss folgenden Kalenderjahres eingelegt worden ist.

2. Eine fiktive Terminsgebühr fällt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht an. Anders als im Klageverfahren ist im Eilrechtsschutz eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben. Weil dort die Beteiligten eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht verhindern können, besteht keine Notwendigkeit, eine fiktive Terminsgebühr zu gewähren, um prozessökonomisches Verhalten des Rechtsanwalts nicht zu benachteiligen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 07.01.2010 geändert. Die der Beschwerdegegnerin aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf 408,17 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen der durch das Sozialgericht (SG) Duisburg für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bewilligten Prozesskostenhilfe.

Mit Beschluss vom 29.12.2008 hat das SG den Antragstellern des Ausgangsverfahrens Prozesskostenhilfe für das einstweilige Anordnungsverfahren bewilligt und Rechtsanwältin H (Beschwerdegegnerin) aus F beigeordnet. Nach Beendigung des Verfahrens machte die Beschwerdegegnerin mit Kostenrechnung vom 30.01.2009 folgende Gebühren gegen die Staatskasse geltend:

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG 250,00 Euro

Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG, 3 x 30 % 225,00 Euro

Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG 200,00 Euro

Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro

Zwischensumme 695,00 Euro

19% Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG 132,05 Euro

Summe 827,05 Euro

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.02.2009 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des SG die Gebühren und Auslagen wie folgt fest:

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV RVG 170,00 Euro

Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG, 3 x 30 % 153,00 Euro

Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG 200,00 Euro

Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro

Zwischensumme 543,00 Euro

19% Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG 103,17 Euro

Summe 646,17 Euro

Zur Begründung führte er aus, dass die geltend gemachte Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG nicht erstattungsfähig sei, weil die Prozessbevollmächtigte die Antragsteller bereits in dem vorausgegangenen Widerspruchsverfahren vertreten habe. Demnach sei lediglich die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV RVG in Höhe der Mittelgebühr (170,00 Euro) in Betracht gekommen. Die Gebühr Nr. 1008 VV RVG sei anzupassen gewesen.

Hiergegen legte der Beschwerdeführer am 24.09.2009 Erinnerung ein und trug zur Begründung vor, dass eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 Nr. 3 VV RVG nicht entstanden sei. Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass die Erinnerung verspätet eingelegt worden sei, weil sie innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe hätte eingelegt werden müssen. Jedenfalls sei das Recht des Bezirksrevisors (Beschwerdeführer) auf Einlegung der Erinnerung verwirkt. Die Festsetzung der Gebühren sei unter dem 05.02.2009, die Anweisung der festgesetzten Gebühren unter dem 11.02.2009 erfolgt. Nach mehr als sieben Monaten hätten die Antragsteller bzw. sie darauf vertrauen können, dass die Angelegenheit kostenmäßig abgeschlossen sei.

Nachdem der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle der Erinnerung des Beschwerdeführers nicht abgeholfen hatte, hat das SG mit Beschluss vom 07.01.2010 die Erinnerung der Staatskasse gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.02.2009 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die zulässige Erinnerung der Staatskasse nicht begründet sei. Das Verfahren sei durch ein angenommenes Anerkenntnis beendet worden. Eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG sei vorliegend zu erstatten, auch wenn für das einstweilige Verfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht vorgeschrieben sei.

Gegen den unter dem 12.01.2010 an den Beschwerdeführer weitergeleiteten Beschluss vom 07.01.2010 hat dieser am 22.01.2010 Beschwerde mit der Begründung eingelegt, dass eine fiktive Terminsgebühr nach VV 3106 Nr. 3 im einstweiligen Verfahren nicht entstanden sei. Er ist der Auffassung, dass die Erinnerung nach § 56 RVG nicht fristgebunden sei und eine Verwirkung ebenfalls nicht vorläge.

Die Beschwerdegegnerin wiederholt ihr Vorbringen aus dem Erinnerungsverfahren. Sie hält die Ausführungen der ersten Instanz zur fiktiven Terminsgebühr für zutreffend.

II.

Das Landessozialgericht entscheidet über die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung durch den Senat gemäß den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 des Recht...

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