Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr. Angelegenheit nach dem SGB 2. anwaltliche Tätigkeit im Widerspruchsverfahren. anschließende Klage auf Erstattung der Vorverfahrenskosten. nicht derselbe Gegenstand. keine Anrechnung der Geschäftsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem Widerspruchsverfahren mit dem Begehren höherer Leistungen nach dem SGB II und der (anschließenden) Klage auf Erstattung der Kosten für dieses Widerspruchsverfahren handelt es sich nicht um denselben Gegenstand iS der Vorbemerkung 3 Abs 4 S 1 VV RVG (juris: RVG-VV). Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr für das Klageverfahren scheidet aus.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 10. Juni 2020 und der Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 30. Juni 2017 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 19. Oktober 2018 werden geändert: Die aus der Prozesskostenhilfe an den Beschwerdeführer zu zahlende Vergütung wird auf insgesamt 500,75 € festgesetzt, so dass von ihm ein Betrag von 95,20 € an die Landeskasse zu erstatten ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitgegenständlich ist das Rechtsanwaltshonorar nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer für ein Klageverfahren nach Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Landeskasse als Beschwerdegegner zusteht.

In dem seit dem 15. November 2016 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) anhängigen und mittlerweile erledigten Klageverfahren S 8 AS 1927/16 vertrat der Beschwerdeführer eine Klägerin im Streit um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage die Übernahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens W 1782/16. Ihr Widerspruch gegen den zugrundeliegenden Bescheid, mit dem sie die vom beklagten Jobcenter vorgenommene Einkommensanrechnung gerügt habe, habe Erfolg gehabt (Änderungsbescheid vom 10. November 2016).

Der Beschwerdeführer begründete die Klage in einem einseitigen Schriftsatz (ohne Rubrum). Er fertigte eine weitere halbseitige Stellungnahme vom 24. März 2017.

Mit Beschluss vom 25. April 2017 bewilligte das SG PKH und ordnete den Beschwerdeführer bei.

Der Erörterungstermin vom 27. April 2017 dauerte für das Klageverfahren ausweislich des Sitzungsprotokolls zehn Minuten.

Das SG verurteilte das beklagte Jobcenter sodann mit Gerichtsbescheid vom 14. Mai 2017 zur Übernahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 27. April 2017 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung seiner Vergütung aus der PKH wie folgt:

Verfahrensgebühr

Nr. 3102 VV RVG

  300,00 €

Terminsgebühr

Nr. 3106 VV RVG

270,00 €

Fahrtkosten (122 km)

Nr. 7003 VV RVG

36,60 €

Tage- und Abwesenheitsgeld

Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG

25,00 €

Post- und Telekom. Pauschale

Nr. 7002 VV RVG

    20,00 €

Zwischensumme

  651,60 €

Mehrwertsteuer

Nr. 7008 VV RVG

   123,80 €

Kostenforderung

  775,40 €

Abzüglich Vorschuss

- 261,80 €

Erstattungsbetrag Landeskasse

  513,60 €

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des SG (UdG) setzte die PKH-Vergütung mit Beschluss vom 30. Juni 2017 auf insgesamt 595,95 € fest. Die Verfahrensgebühr sei nur in Höhe von 60 % der Mittelgebühr angemessen. Am gleichen Tag machte er einen Forderungsübergang nach § 59 RVG geltend und forderte das beklagte Jobcenter zur Erstattung von 595,95 € auf. Hiergegen legte das beklagte Jobcenter unter dem 28. August 2017 Erinnerung (S 34 SF 161/17 E) ein und führte aus, die angesetzte Verfahrensgebühr sei unbillig. Von der Verfahrensgebühr sei die Geschäftsgebühr von 100 € für die Tätigkeit im Vorverfahren abzusetzen. Die Terminsgebühr sei nur in Höhe von 190 € für den zehn Minuten dauernden Termin gerechtfertigt.

Zudem hat der Beschwerdegegner für die Landeskasse unter dem 31. Januar 2018 Erinnerung gegen die PKH-Festsetzung eingelegt und ausgeführt, die Verfahrensgebühr sei lediglich in Höhe eines Viertels der Mittelgebühr anzusetzen. Bei der fehlerhaften Kostenentscheidung in einem Widerspruchsverfahren handele es sich um einen sehr einfachen Sachverhalt. Zudem sei die vorgerichtliche Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Die Terminsgebühr sei lediglich in Höhe eines Drittels der Mittelgebühr bei unterdurchschnittlicher Dauer eines Termins von zehn Minuten anzusetzen. Die Vergütung betrage daher insgesamt 167,55 €.

Der Beschwerdeführer hat die Zurückweisung der Erinnerung mit der Begründung beantragt, die Verfahrensgebühr sei mindestens in Höhe von 60 % der Mittelgebühr zu beanspruchen, da es in dem Klageverfahren nicht nur um die Kostenerstattung für das Widerspruchsverfahren gegangen sei, sondern auch um die vom beklagten Jobcenter angenommene Unzulässigkeit des Widerspruchs. Die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren sei zur Hälfte anrechenbar. Die Terminsgebühr sei insbesondere vor dem Hinter...

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