Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherung. Antragspflichtversicherung. Beseitigung der Versicherungspflicht. Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Irrtum des Versicherten hinsichtlich Kündbarkeit. unbeachtlicher reiner Rechtsirrtum

 

Orientierungssatz

1. Das Begehren eines Versicherten, das in der Sache auf Beseitigung des seine Versicherungspflicht nach § 4 Abs 2 SGB 6 feststellenden Bescheides gerichtet ist, hat mit einer kombinierten, auf Aufhebung dieses Bescheides gerichteten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgt werden.

2. Hat sich ein Versicherter über die Kündbarkeit der Antragspflichtversicherung nach § 4 Abs 2 SGB 6 geirrt, so ist ein derartiger Irrtum über die gesetzliche Reichweite der Pflichtversicherung auf Antrag ein unbeachtlicher reiner Rechtsirrtum (vgl BSG vom 23.10.2003 - B 4 RA 27/03 R = SozR 4-2600 § 7 Nr 1).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.07.2006; Aktenzeichen B 12 R 5/06 B)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger seit dem 7.12.1993 in der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter freiwillig versichert ist.

Der 1947 geborene Kläger war in der Zeit vom 27.3.1961 bis zum 4.4.1989 mit kurzen Unterbrechungen als abhängig Beschäftigter in der Rentenversicherung der Arbeiter versichert. Am 16.10.1992 nahm er ausweislich der Gewerbeanmeldung der Stadtverwaltung B eine Tätigkeit als selbstständiger Taxi- und Mietwagenunternehmer auf.

Am 6.12.1993 ließ er sich in der M Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten über seine rentenversicherungsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten beraten.

Der Kläger stellte an diesem Tag zwei Anträge, die beide von ihm unterschrieben wurden. Ein Antrag war auf Abschluss einer freiwilligen Versicherung gerichtet, deren erster Beitrag im Januar 1993 geleistet werden sollte. Die freiwillige Versicherung sollte bis zum Beginn der Versicherung auf Antrag laufen. In einem zweiten Antrag begehrte der Kläger die Aufnahme in die Pflichtversicherung selbstständig Tätiger. Hinsichtlich der Höhe der Pflichtbeiträge war angegeben, dass diese sich nach einem Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße (Regelbeitrag) richten sollte. Die Möglichkeit, dass bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit nur der halbe Regelbeitrag geleistet werden konnte, war im Antragsformular nicht angekreuzt.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 19.1.1994 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er aufgrund seines Antrags vom 6.12.1993 ab dem 7.12.1993 nach § 4 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VI - versicherungspflichtig sei (sog. antragspflichtversicherter Selbstständiger). Weiter wurde dem Kläger mitgeteilt, dass ihm für die Monate Januar bis November 1993 elf freiwillige Beiträge von jeweils 92,75 DM gutgeschrieben worden seien.

Mit Schreiben vom 12.4.1996 fragte der Kläger bei der Beklagten an, zu welchem Zeitpunkt er die Beitragszahlung kündigen könne. Diese teilte dem Kläger daraufhin schriftlich am 24.5.1996 mit, dass die aufgrund des Antrages nach § 4 Abs. 2 SGB VI zustande gekommene Pflichtversicherung erst mit Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit ende. Hierfür sei ein entsprechender Nachweis vorzulegen.

Erstmals im April 1998 geriet der Kläger mit einem Versicherungsbeitrag in Rückstand und wurde von der Beklagten gemahnt.

Mit Schreiben vom 30.6.1998 gab er an, dass er aufgrund starken Umsatzrückgangs im Taxigewerbe nicht in der Lage sei, den vollen Beitrag zu leisten. Mit Schreiben vom 17.7.1998 teilte die Beklagte daraufhin mit, dass eine Beitragsbefreiung nur möglich sei, wenn eine selbstständige Tätigkeit nur noch geringfügig ausgeübt und das hieraus erzielte Einkommen unter 620 DM monatlich liege.

Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 21.10.1998 erläutert hatte, dass eine Reduzierung des Beitrages auf den halben Regelbeitrag nur innerhalb der ersten drei Jahre nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit möglich sei und sie für die Berechnung eines einkommensgerechten Beitrages den letzten Einkommensteuerbescheid benötige, teilte der Kläger mit, dass sich seine finanzielle Situation schwierig gestalte.

Nachdem die Beklagte beim zuständigen Finanzamt ermittelt hatte, dass sich die Einkünfte des Klägers im Jahre 1996 auf 94.172 DM belaufen hatten, lehnte sie mit Schreiben vom 5.3.1999 die Herabsetzung des Regelbeitrags ab.

Mit Schreiben vom 30.3.1999 gab der Kläger gegenüber der Beklagten an, dass seine finanzielle Situation die Zahlung weiterer Beiträge nicht zulasse. Hätte man ihn bei seiner Vorsprache auf der Auskunfts- und Beratungsstelle richtig aufgeklärt, so hätte er keinen Antrag auf Pflichtversicherung gestellt.

Eine Nachfrage der Beklagten bei ihrer Auskunfts- und Beratungsstelle erbrachte, dass dort kein Gesprächsprotokoll über die Beratung des Klägers mehr vorhanden war, sondern lediglich eine Sprechtagliste. In dieser war angegeben, dass der Kläger über die Möglichkeit von Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beiträgen beraten worden sei.

Mit Schreiben vom 4.8...

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