Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Warnfunktion des Beweisantrags

 

Orientierungssatz

Um der mit einem Beweisantrag verbundenen Warnfunktion genügen zu können, muss der Beweisantrag der Tatsacheninstanz unmittelbar vor deren abschließender Entscheidung vor Augen führen, dass der Kläger die gerichtliche Sachaufklärung in einem bestimmten Punkt noch nicht als erfüllt ansieht (vgl BSG vom 24.5.1993 - 9 BV 26/93 = SozR 3-1500 § 160 Nr 9).

 

Normenkette

SGG §§ 103, 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 30.09.2005; Aktenzeichen L 2 RI 367/03)

SG Mainz (Urteil vom 20.10.2003; Aktenzeichen S 7 RI 60/01)

 

Gründe

Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung (auf Antrag) pflichtversichert oder freiwillig versichert ist.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. September 2005 ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden.

Dagegen ist die behauptete inhaltliche Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung von vorne herein kein Revisionszulassungsgrund. Der Kläger verkennt insofern, dass das BSG als Beschwerdegericht gesetzlicher Richter allein für die Frage ist, ob das Rechtsmittel der Revision durch Zulassung statthaft werden kann, und eine inhaltliche Prüfung des angegriffenen Urteils erst nach zulässiger Einlegung der zugelassenen Revision in Betracht kommt.

Die als Verfahrensfehler geltend gemachte Verletzung von § 103 SGG kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag (im hier maßgeblichen Sinn der Zivilprozessordnung) ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Der Kläger beruft sich insofern zunächst darauf, dass er die Sachbearbeiterin der Beklagten, Frau W, zum Beweis für die Behauptung angeboten habe:

"der Kläger hat über sein zitiertes Schreiben hinaus mehrfach mit der Beklagten - insbesondere mit der Sachbearbeiterin Frau W Telefonate geführt wegen dieser Beitragsproblematik. Aus den Telefongesprächen wurde für die Sachbearbeiterin ebenfalls deutlich, dass der Kläger sein Versicherungsverhältnis völlig missverstanden hatte."

Es kann unerörtert bleiben, ob der Kläger hiermit überhaupt einen hinreichend konkreten Beweisantrag bezeichnet hat. Um nämlich der hiermit verbundenen Warnfunktion (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 9) genügen zu können, muss der Beweisantrag der Tatsacheninstanz unmittelbar vor deren abschließender Entscheidung vor Augen führen, dass der Kläger die gerichtliche Sachaufklärung in einem bestimmten Punkt noch nicht als erfüllt ansieht. Der Kläger hat indessen bereits nicht - wie dies hiernach erforderlich gewesen wäre - vorgetragen, dass er den "Beweisantrag" aus den Schriftsätzen vom 22. April 2004 und vom 9. September 2004, noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 30. September 2005 aufrechterhalten hat (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 64 und SozR 1500 § 160 Nr 12).

Der Kläger beruft sich darüber hinaus sinngemäß darauf, dass er in der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2005 hilfsweise beantragt hat,

"den im Schreiben der LVA vom 6. September 2005 benannten Herrn R Z, zu laden über die Beklagte, als Zeugen zu vernehmen zum Inhalt des Beratungsgesprächs mit dem Kläger am 6. Dezember 1993."

Auch insofern kann offen bleiben, ob der nach dem Wortlaut des Antrags auszuforschende Gesprächsinhalt die erforderlichen konkreten Behauptungen hierzu zu ersetzen vermag. Jedenfalls hätte sich der Kläger nämlich nicht auf die bloße Behauptung beschränken dürfen, das Berufungsgericht hätte sich unter Zugrundelegung der von ihm vertretenen Rechtsauffassung gedrängt fühlen müssen, dem behaupteten Beweisantrag nachzukommen (vgl insofern BSG SozR 1500 § 160a Nr 34 und 56). Im Blick darauf, dass das LSG die Berufung tragend allein deshalb zurückgewiesen hat, weil es die Feststellungsklage des Klägers als gegenüber der für geboten erachteten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage für subsidiär gehalten und daher für unzulässig erachtet hat (Umbruch S 8), hätte es nachhaltig der Darlegung bedurft, in welcher Weise sich die Einvernahme des Zeugen Z auf diese Einschätzung der prozessualen Situation potenziell hätte auswirken können. Der Kläger geht indes weder hierauf näher ein, noch gibt er im Übrigen an, welche Bedeutung die Beweisaufnahme aus der Sicht des Berufungsgerichts für den Verfahrensausgang gehabt haben könnte, obwohl das LSG seine Erwägungen zum Aufhebungsanspruch nach §§ 44 ff des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch wie zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch jeweils ausdrücklich und von vorne herein für insofern unerheblich gehalten hat.

Der Kläger beruft sich darüber hinaus auf Verstöße gegen sein prozessuales Grundrecht auf rechtliches Gehör. Soweit er dies dadurch verletzt sieht, dass das Gericht die Einvernahme der Zeugin W nicht weiter verfolgt habe, trägt er nicht vor, warum er trotz rechtskundiger Beratung nicht in der Lage gewesen sein sollte, hierauf - wie im Fall des Zeugen Z spätestens in der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2005 zu reagieren und ggf einen Beweisantrag zu stellen. Soweit er sich insofern von der unterlassenen Einvernahme des Zeugen Z betroffen fühlt, fehlt es an Darlegungen, warum er sich nach dem ausdrücklichen Hinweis auf die Rechtsauffassung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung dennoch nicht ausreichend hat äußern können und was er über den insofern gestellten Antrag hinaus vorgetragen hätte. Soweit er schließlich sinngemäß rügt, er sei von der Rechtsauffassung des Gerichts überrascht worden, fehlt es insbesondere an dem erforderlichen Vortrag, warum er sich trotz rechtskundiger Beratung im Verhandlungstermin nicht (ausreichend) hat äußern können, warum er von der Stellung eines Antrags auf Vertagung zur weiteren Vorbereitung Abstand genommen hat und was er der Rechtsauffassung des Gerichts durchgreifend entgegen gehalten hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1993748

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