Verfahrensgang

SG Trier (Urteil vom 10.07.1996; Aktenzeichen S 3 U 249/94)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 10.7.1996 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Verkehrsunfall des Klägers als versicherter Wegeunfall von der Beklagten zu entschädigen ist oder ob Versicherungsschutz entfällt, weil der Kläger alkoholbedingt fahruntüchtig war.

Der am …1947 geborene Kläger ist von Beruf Glüher. Am 22.1.1994 erlitt er auf dem Heimweg von der Arbeit um 6.10 Uhr einen Unfall, als er nach dem Linksabbiegen von der Gartenfeldstraße in die Weimarer Allee in T. nach links von der Fahrbahn abkam und gegen einen Baum schleuderte. Dabei zog er sich unter anderem Beckenbrüche und eine nicht dislozierte Tibiakopffraktur zu.

Nachdem der Kläger wegen Rotlichts an einer Verkehrssignalanlage halten mußte, setzte er sich nach dem Umspringen der Ampel auf grün als schnellster der wartenden Fahrzeugführer in Bewegung. Als er nach erfolgtem Linksabbiegen einen Vorsprung von etwa 30 Metern vor dem folgenden Fahrzeug hatte, kam sein Fahrzeug ins Schleudern, geriet links auf den Bordstein, wodurch sich das Fahrzeug vorne anhob, und prallte schließlich gegen einen Baum. Nach telefonischer Auskunft des Deutschen Wetterdienstes vom 22.3.1994 betrug die Außentemperatur am Unfalltag in T. um 6 Uhr 0 Grad bei gefrierendem Sprühregen. Der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige zufolge war die Fahrbahn am Unfallort durch Nässe leicht schmierig. Der Zeuge Z. sagte vor dem Sozialgericht aus, er selbst sei beim Anfahren in der Gartenfeldstraße leicht ins Rutschen gekommen. Als er nach dem Unfall des Klägers angehalten und ausgestiegen sei, sei er hingefallen, da es schmierig gewesen sei. Eis sei aber nicht vorhanden gewesen. Der Zeuge K. gab an, er habe beim Verlassen seines Parkplatzes auf der Ladestraße des T. Hauptbahnhofs bemerkt, daß bei herrschenden Minusgraden stellenweise Eisglätte vorhanden gewesen sei.

Laut Protokoll und Antrag zur Feststellung des Alkohols im Blut erfolgte um 7.58 Uhr eine Blutentnahme. Die Blutalkoholbestimmung durch Prof. Dr. R. ergab einen Mittelwert von 0,98 ‰. Nach Auskunft des Arbeitgebers des Klägers hatte dieser nach eigenen Angaben 3 Stubbi Bier in den Pausen während der Arbeitsschicht getrunken. Der Zeuge Z. gab gegenüber der Polizei an, mit dem Kläger von 22 bis 6 Uhr am gleichen Band gearbeitet zu haben. Er habe nicht mitbekommen, daß der Kläger am Arbeitsplatz Alkohol zu sich genommen habe.

Am 7.4.1994 erließ das Amtsgericht Trier einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 1 StGB über 30 Tagessätze zu 40 DM bei gleichzeitigem Entzug der Fahrerlaubnis und Anordnung einer Sperre für deren Wiedererteilung von weiteren 4 Monaten. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde vom Kläger zurückgezogen.

Durch Bescheid vom 8.6.1994 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung des Unfalls als Wegeunfall mit der Begründung ab, der Kläger sei infolge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit von der Fahrbahn abgekommen und gegen den Baum geprallt. Eine andere Unfallursache als die festgestellte Blutalkoholkonzentration von 0,98 ‰ sei nicht erkennbar.

Der hiergegen rechtzeitig eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 7.9.1994 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die beim Kläger festgestellte Blutalkoholkonzentration habe zu einer quantitativen und qualitativen Beeinträchtigung des Konzentrations- und Reaktionsvermögens sowie zu einer alkoholbedingten Enthemmung geführt, die eine verstärkte Beschleunigung und inadäquate Reaktion auf einer nassen Fahrbahn zur Folge gehabt habe. Betriebsbedingte Mitursachen seien nicht feststellbar. Zwar sei die Straße naß und schmierig gewesen, ohne die überhöhte Beschleunigungsgeschwindigkeit und den Fahrfehler hätte dies aber nicht zu dem Unfall geführt. Die Blutalkoholkonzentration sei daher die rechtlich allein wesentliche Ursache.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht den Kläger persönlich gehört und den Zeugen Z. vernommen. Der Kläger hat angegeben, seit 30 Jahren die Fahrerlaubnis zu besitzen und in dieser Zeit nur einen unbedeutenden Auffahrunfall gehabt zu haben. Außerdem hat er Angaben zu seiner beruflichen Belastung in der Woche vor dem Unfall und während der dem Unfall vorhergehenden Arbeitsschicht gemacht. Der Zeuge Z. hat auf die Frage, ob er die Geschwindigkeit des Klägers vor dem Unfall abschätzen könne, ausgeführt, er könne lediglich sagen, daß der Kläger normal gefahren sei. Einen Geschwindigkeitsunterschied zu seinem Fahrzeug habe er nicht feststellen können.

Durch Urteil vom 10.7.1996 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, den Verkehrsunfall des Klägers vom 22.1.1994 als versicherten Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Witterungs- und Straßenverhältni...

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