Entscheidungsstichwort (Thema)

Eignung. Zumutbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach RVO § 368 n Abs. 1 ist die Erweiterung eines zunächst nur für dringende Fälle an Tagen, an denen die Sprechstunden allgemein ausfallen (BMVÄ § 6 Abs. 4), eingerichteten ambulanten Notfalldienstes auf dringende Fälle außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten an allen Tagen rechtmäßig.

2. Ein als Facharzt für Chirurgie zugelassener Kassenarzt, der in einem eigenen gemeinsam mit drei weiteren operativ tätigen Ärzten betriebenen Krankenhaus mit 32 Betten eine dem Umfang einer zulässigen belegärztlichen Behandlung (Belegarztvertrag § 3 Nr. 1) nicht übersteigende stationäre Tätigkeit ausübt, steht für die kassenärztliche Versorgung der Versicherten auch dann in dem erforderlichen Maße zur Verfügung (ZOÄ § 20 Abs. 1 und 2), wenn er wegen des Umfangs des stationären Bereitschaftsdienstes (91 Tage im Jahr) nicht am allgemeinen (ambulanten) Notfalldienst teilnehmen kann.

3. Die Kassenärztliche Vereinigung darf einen Kassenarzt, der in diesem Umfang im Rahmen eines klinischen Bereitschaftsdienstes belastet ist und dabei zugleich, wenn auch in geringerem Umfang, Patienten versorgt, die vom allgemeinen Notfalldienst in seine Klinik überwiesen werden, zu diesem nicht mehr heranziehen (Anschluß an BVerwG, NJW 1973, 576).

 

Normenkette

RVO § 368n Abs. 1 S. 1 Fassung: 1972-08-10; BMVÄ § 6 Abs. 4 Fassung: 1959-10-01; ZOÄ § 20 Abs. 1, 2 Fassung: 1957-05-28; Belegarztvertrag § 3 Nr. 1 Fassung: 1966-03-01

 

Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 07.04.1976; Aktenzeichen S 13 Ka 27/75)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.09.1977; Aktenzeichen 6 RKa 12/77)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer, Zweigstelle Mainz, vom 7. April 1976 abgeändert:

Der Bescheid der ärztlichen Kreisvereinigung Kaiserslautern vom 17. Mai 1975 in der Gestalt des Bescheides des Notfalldienstausschusses der Beklagten vom 12. August 1975 und des Widerspruchsbescheides vom 19. September 1975 wird ersatzlos aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit den wechselseitig eingelegten Berufungen streiten die Beteiligten weiterhin über die Heranziehung des Klägers zum kassenärztlichen Notfalldienst.

Der Kläger ist als Facharzt für Chirurgie in K. zugelassener Kassenarzt. Er betreibt seit 1963 gemeinsam mit drei anderen Ärzten (einem weiteren Chirurgen, einem Urologen und einem Gynäkologen) die L.-Klinik, ein Krankenhaus mit 32 Betten. Davon hat er ständig etwa elf Betten mit eigenen Patienten belegt. Diese sind im wesentlichen Patienten der gesetzlichen Krankenkassen. Die ärztlichen Leistungen des Klägers bei der stationären Behandlung werden im Rahmen des großen Pflegesatzes (§ 3 Abs. 1 Bundespflegesatzverordnung) unmittelbar mit den Krankenkassen verrechnet. Eine Abrechnung über die Beklagte erfolgt insoweit nicht, weil der Kläger die Anerkennung als Belegarzt (§§ 368 g Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung – RVO –, 25 des Bundesmantelvertrages für Ärzte – BMVÄ –, 1 Buchst. c des Vertrags über die stationäre kassenärztliche Behandlung in Krankenhäusern – Belegarztvertrag –) weder beantragt noch erhalten hat. Nach dem Dienstplan der L.-Klinik hat der Kläger jeden 4. Mittwoch und jedes 4. Wochenende (Samstag und Sonntag) sowie in jeder Woche zusätzlich noch an einem anderen Tag ganztägig Bereitschaftsdienst.

Der ursprünglich auf die Wochenenden und Feiertage beschränkte kassenärztliche Notfalldienst wurde ausschließlich von den sogenannten Ärzten der Basisversorgung, wie Allgemeinärzten, Internisten und Kinderärzten, versehen. Deshalb wurde der Kläger zunächst dafür nicht in Anspruch genommen. Eine ausdrückliche Befreiung erfolgte jedoch nicht.

Als der kassenärztliche Notfalldienst Anfang 1975 in K. durch Einrichtung eines ständigen Bereitschaftsdienstes an allen Wochentagen erweitert wurde, bat der Vorstand der Beklagten den Gesamtvorstand der ärztlichen Kreisvereinigung K., alle bisherigen Befreiungen zu überprüfen. Daraufhin teilte der Gesamtvorstand dem Kläger mit Schreiben vom 17. Mai 1975 mit, nach dem am 6. Mai 1975 gefaßten Beschluß werde er, vorbehaltlich einer anderen Entscheidung der Beklagten oder Bezirksärztekammer Pfalz, künftig am allgemeinen Notfalldienst beteiligt. Im Hinblick auf seine notfalldienstlichen Aufgaben in der L.-Klinik werde er jedoch nur halb so oft eingeteilt, wie andere niedergelassene Ärzte.

Der Notfalldienstausschuß der Beklagten wies den Antrag des Klägers auf weitere Befreiung von der Teilnahme am allgemeinen kassenärztlichen Notfalldienst mit Beschluß vom 30. Juli 1975 zurück (Bescheid vom 12. August 1975). Grundsätzlich sei jeder zugelassene Kassenarzt zur Teilnahme an diesem Dienst verpflichtet (§§ 368 n Abs. 1 RVO, 6 Abs. 4 BMVÄ, 18 der Berufsordnung für Ärzte in Rheinland-Pfalz). Durch den auf ihn entfallenen Bereitschaftsdienst in der L.-Klinik werde der Kläger bei weite...

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