Entscheidungsstichwort (Thema)

Bereitschaftsdienst. Notfalldienst

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Kassenarzt, der, ohne als Belegarzt anerkannt zu sein, zusammen mit anderen Ärzten eine Privatklinik betreibt und am Bereitschaftsdienst dieser Klinik teilnimmt, kann nicht allein deswegen beanspruchen, vom kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst befreit zu werden.

 

Leitsatz (redaktionell)

Jeder Arzt, der an der kassenärztlichen Versorgung teilnimmt, ist für den Notfalldienst als geeignet anzusehen. Dazu gehören auch Fachärzte.

 

Normenkette

RVO § 368 Abs. 1 Fassung: 1955-08-17, § 368g Abs. 1 Fassung: 1955-08-17, § 368n Abs. 1 Fassung: 1955-08-17; ZO-Ärzte § 20; BMV-Ä § 6

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 30.03.1977; Aktenzeichen L 6 Ka 6/76)

SG Speyer (Entscheidung vom 07.04.1976; Aktenzeichen S 13 Ka 27/75)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 1977 und des Sozialgerichts Speyer, Zweigstelle Mainz, vom 7. April 1976 aufgehoben.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Kosten des Rechtsstreites sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Facharzt für Chirurgie und als Kassenarzt in Kaiserslautern zugelassen. Er betreibt seit 1963 gemeinsam mit 3 anderen Ärzten die Lutrina-Klinik, ein Krankenhaus mit 32 Betten. Die Anerkennung als Belegarzt hat er weder beantragt noch erhalten. Nach dem Dienstplan der Klinik hat er an jedem vierten Mittwoch, an jedem vierten Wochenende und in jeder Woche noch an einem anderen Tag ganztägig Bereitschaftsdienst.

Der kassenärztliche Notfalldienst in Kaiserslautern wurde zunächst nur von Allgemeinärzten, Internisten und Kinderärzten versehen. Der Kläger wurde nicht herangezogen; eine ausdrückliche Befreiung erfolgte jedoch nicht.

Als der kassenärztliche Notfalldienst Anfang 1975 in Kaiserslautern durch Einrichtung eines ständigen Bereitschaftsdienstes an allen Wochentagen erweitert wurde, zog die Kreisvereinigung Kaiserslautern mit Schreiben vom 17. Mai 1975 auch den Kläger heran, allerdings nur halb so oft wie andere niedergelassene Ärzte. Sein Antrag auf Befreiung wurde in der Sitzung des Notfalldienstausschusses der Beklagten vom 30. Juli 1975 (Bescheid der Beklagten vom 12. August 1975) zurückgewiesen. Sein Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 19. September 1975).

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 7. April 1976 die Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Kläger erneut zu bescheiden, weil unter Umständen eine Teilbefreiung in Frage komme. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Berufung des Klägers die drei Bescheide ersatzlos aufgehoben. In den Entscheidungsgründen ist ua ausgeführt: Die Beklagte dürfe einen gleichzeitig an einem Krankenhaus tätigen Kassenarzt wie den Kläger - auch wenn er Mitinhaber des Krankenhauses sei - nicht zum ambulanten Notfalldienst heranziehen, wenn er im Rahmen seines klinischen Bereitschaftsdienstes bereits in einem weit größeren Umfang für die ärztliche Notfallversorgung zur Verfügung stehen muß als lediglich in der ambulanten Versorgung tätige Ärzte. Da er ständig nur etwa 11 Betten versorge, stehe er anderseits für die normale kassenärztliche Versorgung in dem erforderlichen Maße zur Verfügung.

Die Beklagte rügt mit der zugelassenen Revision eine Verletzung des § 368 n Reichsversicherungsordnung (RVO) und führt ua aus: Der Kassenarzt - ähnliches gelte für einen als Belegarzt anerkannten Kassenarzt - habe jede andere aus freien Stücken übernommene ärztliche Tätigkeit einzuschränken oder zu unterlassen, die ihn an der vollen Wahrnehmung seiner kassenärztlichen Pflichten hindern könnte. Sie beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Dem LSG-Urteil sei zuzustimmen. Der Notfalldienst sei kein unerläßliches Merkmal kassenärztlicher Tätigkeit. Im Bezirk Trier seien Klinikärzte vom Notfalldienst befreit.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat ist mit zwei Kassenärzten als ehrenamtlichen Richtern dem Gesetz entsprechend besetzt (BSG SozR Nr. 28 zu § 12 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid vom 12. August 1975 und der Widerspruchsbescheid sind im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanzen rechtmäßig. Der Kläger ist verpflichtet, in dem verlangten eingeschränkten Umfang an dem kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst teilzunehmen.

Die Einrichtung eines kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes, der von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄVen) mit den ihnen als Mitgliedern angehörenden Kassenärzten durchgeführt wird, gründet sich auf die bundesgesetzliche Vorschrift in § 368 n Abs 1 RVO. Danach haben die KÄVen die den Krankenkassen obliegende ärztliche Versorgung sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr zu übernehmen, daß die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht; sie haben mithin auch dafür einzustehen, daß die ärztliche Behandlung ausreichend und zweckmäßig im Sinne des § 182 Abs 2 RVO ist. Dieser Sicherstellungsauftrag umfaßt auch die Einrichtung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes, wie durch § 368 Abs 3 RVO (idF des Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes - KVWG - vom 28. Dezember 1976, BGBl I 3871) klargestellt worden ist. Demgemäß haben schon die Partner des Bundesmantelvertrages/Ärzte (BMV/Ä) vom 1. August 1959 in § 6 Abs 4 (Stand April 1974) bestimmt, daß die KÄV für Tage, an denen die Sprechstunden allgemein ausfallen, eine ausreichende Versorgung für dringende Fälle sicherstellt. Weitere bundesrechtliche Vorschriften über die Durchführung eines kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes fehlen. Seine nähere Regelung ist deshalb den einzelnen KÄVen überlassen.

Die Einrichtung eines allgemeinen ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes, der von den Ärztekammern der Länder mit den ihnen angehörenden Ärzten - auch Nichtkassenärzten - durchgeführt wird, regelt für das Land Rheinland-Pfalz die (aufgrund des § 8 Abs 4 des Landesgesetzes über die Kammern der Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Tierärzte vom 1. April 1953 idF vom 17. April 1967, GVBl 1967 S. 127, erlassene und wiederholt geänderte) Berufsordnung idF ihrer am 28. Mai 1971 genehmigten 6. Änderung (ÄBl Rheinland-Pfalz vom 1. Juli 1971, S. 666) in § 18 Abs 1:

Der niedergelassene Arzt ist verpflichtet, am Notfalldienst teilzunehmen, sofern nicht wichtige Gründe der Beteiligung entgegenstehen. Für die Einrichtung und Durchführung eines Notfalldienstes im einzelnen sowie über Ausnahmen hiervon sind die von der zuständigen Bezirksärztekammer erlassenen Richtlinien maßgebend.

Zur Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrages nach § 368 n Abs 1 RVO hat die Beklagte durch ihre Vertreterversammlung am 31. Mai 1975 für die Kassenärzte die Schaffung zusätzlicher "Richtlinien für den Notfalldienst im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Pfalz vom 1.6.1975" beschlossen, innerhalb derer die ärztlichen Kreisvereinigungen den Notfalldienst entsprechend den örtlichen Gegebenheiten und Erfordernissen zu organisieren haben. Darin ist unter Ziffer 3 bestimmt:

1.

Jeder Kassenarzt ist grundsätzlich zur Teilnahme am Notfalldienst verpflichtet.

2.

Über Anträge auf Befreiung vom Notfalldienst wegen Alter, Krankheit, Invalidität oder wegen anderer Erschwernisse sowie für Ärzte, die an der kassenärztlichen Versorgung "beteiligt" sind, entscheidet der Gesamtvorstand der Kreisvereinigung. Auf Antrag des Gesamtvorstandes einer Kreisvereinigung oder im Falle einer vom Vorstand der KV Pfalz festgestellten Gefährdung der ärztlichen Versorgung innerhalb eines bestimmten Bereiches hat der Vorstand der KV Pfalz das Recht, Befreiungen vom Notfalldienst oder entsprechende Anträge zu überprüfen und geeignete Maßnahmen zu treffen bzw. erfolgte Befreiungen aufzuheben.

Diese Bestimmungen galten auch noch während der im vorliegenden Fall streitigen Heranziehung des Klägers zum Notfalldienst.

Der erkennende Senat hat bisher für die Durchführung des kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienstes - nur über Fälle aus diesem Bereich hat er nach § 51 Abs 1 und 2 SGG zu entscheiden - die genannten Vorschriften des Bundesrechts (§ 368 n Abs 1 RVO und § 6 Abs 4 BMV/Ä) in Verbindung mit Ausführungsbestimmungen, die die jeweils zuständige KÄV allein oder zusammen mit der Ärztekammer erlassen hatte, als eine ausreichende Rechtsgrundlage angesehen (vgl BSGE 33, 165 f; Urteile vom 21. November 1972 und 24. Januar 1974, SozR SGG § 12 Nr 28 und 2200 § 368 n RVO Nr 1; Urteil vom 7. Oktober 1976, 6 RKa 5/76). Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) für den seiner Gerichtsbarkeit unterliegenden Bereich, d.h. für den allgemeinen ärztlichen Notfalldienst, gefordert, daß die Heranziehung dazu nicht ausschließlich der Satzungsgewalt der Ärztekammer überlassen werden dürfe, sondern daß der Gesetzgeber selbst mindestens in den Grundzügen Bestimmungen hierüber erlassen müsse (BVerwGE 41, 261 unter Berufung auf den Facharzt-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE 33, 125). Das BVerfG selbst scheint allerdings insoweit eine andere Auffassung zu vertreten (vgl Eberle, NJW 73, 2225, 2226 Anm 9, zu einem unveröffentlichten Beschluß vom 14. Dezember 1972, 1 BvR 144/66, wonach die Teilnahme am ambulanten ärztlichen Notfalldienst als eine dem niedergelassenen Arzt immanente Berufspflicht anzusehen ist, die keinen so wesentlichen, fühlbaren Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung darstellt, daß es deswegen der Regelung durch den Gesetzgeber selbst bedarf).

Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung trotz vereinzelt erhobener Bedenken (Hagedorn in einer Anm. zum Urteil des Senats vom 21. November 1972, NJW 73, 2262 in Anlehnung an die Gedankengänge des BVerwG; dagegen wiederum Krauskopf in DOK 74, 509, 511) nach nochmaliger Prüfung fest. Zwischen der Heranziehung von Kassenärzten und Nichtkassenärzten zum Not- und Bereitschaftsdienst besteht vor allem insofern ein grundlegender Unterschied, als sich die Kassenärzte mit der - von ihnen beantragten - Zulassung zur Kassenpraxis freiwillig einer Reihe von Einschränkungen ihrer ärztlichen Berufsausübung unterworfen haben, die mit der Einbeziehung in ein öffentlich-rechtliches Versorgungssystem notwendig verbunden sind (vgl § 368 a Abs 4 RVO). Zu diesen, der Berufsausübung im kassenärztlichen Bereich "immanenten" Einschränkungen gehört auch die Pflicht zur Teilnahme am Notfalldienst, ohne den eine ausreichende kassenärztliche Versorgung der Versicherten nicht gewährleistet ist. Mit der Heranziehung zum Notfalldienst werden daher den Kassenärzten nicht neue Pflichten auferlegt, was bei der Heranziehung eines Nichtkassenarztes durch die Ärztekammer zweifelhaft sein mag; vielmehr wird lediglich die in der Kassenzulassung enthaltene "Sozialbindung" der ärztlichen Berufsausübung näher konkretisiert. Dafür bedarf es keiner gesetzesförmlichen Regelung. Es genügen insoweit Bestimmungen, die von der KÄV aufgrund ihrer Satzungsautonomie für ihre Mitglieder erlassen werden. Solche Bestimmungen brauchen (entgegen der Ansicht von Narr, Ärztliches Berufsrecht, 1973, S. 138) auch nicht in die - von der Aufsichtsbehörde zu genehmigende (§ 368 m Abs 1 RVO) - Satzung der KÄV aufgenommen zu werden, was für Bestimmungen, die mit anderen Körperschaften (Krankenkassen und ihren Verbänden, Ärztekammern) vereinbart werden, praktisch ohnehin kaum möglich wäre (vgl im übrigen § 368 m Abs 2 RVO, wonach nur für Verträge, Beschlüsse und Bestimmungen der Bundesvereinigungen, also anderer Stellen als der KÄV selbst, die Aufnahme einer Verbindlichkeitsklausel in deren Satzung vorgeschrieben ist).

Der Umstand, daß der Kläger schon an einem Bereitschaftsdienst in der L-Klinik teilnimmt, steht seiner Heranziehung zum kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst nicht entgegen (daß er etwa aus fachlichen Gründen für diesen Not- und Bereitschaftsdienst nicht geeignet sei, wird nicht geltend gemacht). Zwar darf nach einer Entscheidung des BVerwG die Ärztekammer einen niedergelassenen, gleichzeitig an einem Krankenhaus tätigen (Fach-) Arzt nicht zum ambulanten Notfall- (Bereitschafts)dienst heranziehen, wenn der Arzt an Wochenenden und Feiertagen im Rahmen seines klinischen Bereitschaftsdienstes Notfälle zu versorgen hat und dadurch für die Notfallversorgung der Bevölkerung in vergleichbarer Weise in Anspruch genommen wird wie die zum ambulanten Notfalldienst verpflichteten Ärzte (BVerwGE 41, 261, 270). Diese Entscheidung betrifft jedoch nur das allgemeine Mitgliedschaftsverhältnis eines Arztes zur Ärztekammer, deren Zwangsmitglied er ist (für Rheinland-Pfalz vgl das schon genannte Kammergesetz für die Heilberufe idF vom 17. April 1967, § 3). Die Entscheidung kann dagegen nicht ohne weiteres übertragen werden auf das besondere Verhältnis eines Kassenarztes zu seiner KÄV, das, wie ausgeführt, freiwillig begründet wird und für die Mitglieder der KÄV mit besonderen - gesteigerten - Pflichten verbunden ist. Die Rechtsprechung hat deshalb auch die Entscheidung des BVerwG für den Bereich der kassenärztlichen Versorgung nicht übernommen. So hat das LSG Niedersachsen in einem rechtskräftigen, bisher anscheinend nicht veröffentlichen Urteil vom 24. November 1976 (L 5 Ka 15/73) einen Kassenarzt, der zugleich als Belegarzt in einem Krankenhaus tätig war, für verpflichtet gehalten, am kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst teilzunehmen (ähnlich schon das SG Hannover in einem ebenfalls rechtskräftig gewordenen Urteil vom 28. November 1973, Breithaupt 1974, 563; vgl ferner Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, 4. Aufl., Bd II, § 6 BMV/Ä Anm 5 und das dort S. IV 22 e zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21. März 1967).

Ob dieser Rechtsprechung für alle Fälle zu folgen ist, in denen ein Kassenarzt zugleich als anerkannter Belegarzt tätig ist, braucht hier nicht entschieden zu werden. Als Kassenarzt muß er, wie sich aus § 20 Abs 1 der Zulassungsordnung für Kassenärzte (ZO-Ärzte) vom 28. Mai 1957 (BGBl I 572) ergibt, für die sachgemäße Versorgung der Versicherten persönlich in dem erforderlichen Maße zur Verfügung stehen; anderenfalls ist er als Kassenarzt ungeeignet. Seiner Eignung steht allerdings nicht entgegen, daß ein wesentlicher, u.U. sogar der überwiegende Teil seiner Arbeitskraft durch eine anderweitige Tätigkeit in Anspruch genommen wird, solange es sich dabei um eine lediglich zeitliche Einschränkung seiner kassenärztlichen Tätigkeit handelt und er zu den üblichen Sprechstunden und für Notfallbehandlungen sowie für andere wichtige Fälle außerhalb der Sprechstunden zur Verfügung steht (BSGE 21, 118, 122; 26, 13, 14 bis 16; SozR 5520 § 20 ZO-Ärzte Nr 1, S. 2 oben). Nicht hingenommen werden kann dagegen eine "qualitative" Einschränkung der kassenärztlichen Tätigkeit in dem Sinne, daß der Kassenarzt zwar einen Teil seiner kassenärztlichen Pflichten erfüllt, für andere Aufgabenbereiche jedoch, zu denen auch die Teilnahme am Not- und Bereitschaftsdienst gehört, nicht oder nicht voll zur Verfügung steht. Als Kassenarzt obliegt ihm in erster Linie die ambulante Versorgung der Versicherten. Daneben kann er in gewissem Umfang als Belegarzt an der stationären Versorgung seiner Patienten beteiligt werden (§ 368 g Abs 4 RVO iVm § 25 BMV/Ä und dem Vertrag über die stationäre kassenärztliche Behandlung in Krankenhäusern - Belegarztvertrag - vom 1. März 1966, abgedruckt bei Heinemann/Liebold aaO, Bd III, S. IV 177). Dabei darf jedoch seine stationäre Tätigkeit nicht das Schwergewicht seiner Gesamttätigkeit bilden, sondern muß gegenüber der ambulanten Praxis von nebengeordneter Bedeutung sein (§ 3 Nr 1 Satz 1 des Belegarztvertrages); sie darf daher auch die Erfüllung der Pflichten, die ihm aus der Beteiligung an der ambulanten kassenärztlichen Versorgung erwachsen, nicht beeinträchtigen.

Was hiernach für den als Belegarzt anerkannten Kassenarzt gilt, trifft erst recht für einen Arzt zu, der - wie der Kläger - seine stationäre Tätigkeit außerhalb seiner Kassenpraxis ausübt. Selbst wenn diese Tätigkeit für den Fall der Heranziehung zu einem - von der Ärztekammer organisierten - allgemeinen ärztlichen Notdienst als Befreiungsgrund in Betracht käme, kann jedenfalls für die Heranziehung zum kassenärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst nicht das gleiche gelten. Insoweit stellt die klinische Tätigkeit des Klägers lediglich eine Nebentätigkeit dar, die zwar vom Kassenarztrecht geduldet wird, ihn aber nicht von der Erfüllung seiner kassenärztlichen Pflichten abhalten darf. Verstöße gegen grundgesetzliche Normen (Art. 3 und 12 GG) sind insoweit nicht ersichtlich.

Ob der Kläger im übrigen, wie das Berufungsgericht annimmt, einem beteiligten leitenden Krankenhausarzt (§ 29 ZO-Ärzte; Beschluß des BSG vom 24. November 1960 - 6 RKa 22/60 - NJW 61, 288 = ZM 61, 257, dazu später BSGE 21, 230) näher steht als einem echten Belegarzt, kann auf sich beruhen; denn er ist weder das eine noch das andere.

Der Bescheid, mit dem eine Befreiung des Klägers vom kassenärztlichen Notfalldienst über die bereits gewährte Vergünstigung hinaus (Heranziehung zum Notfalldienst nur halb so oft wie andere niedergelassene Ärzte) verweigert wurde, ist sonach rechtmäßig. Der Senat hat deshalb die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1650363

BSGE, 260

NJW 1978, 1215

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