Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Vorbereitungshandlung: Abholen der Autoschlüssel bei den Eltern. Rückruf aus dem Urlaub. Einkauf. Hauswirtschafterin. ausnahmsweise Zurechnung zur versicherten Tätigkeit

 

Orientierungssatz

Zum ausnahmsweise Vorliegen eines Arbeitsunfalles einer direkt und ungeplant aus dem Urlaub von ihrem Arbeitgeber zurückgerufenen Hauswirtschafterin, die die zum Einkauf für ihren Arbeitgeber benötigten Autoschlüssel bei ihren Eltern abgeholt hatte und beim Durchschreiten der Außentür des elterlichen Hauses verunglückte.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.11.2018; Aktenzeichen B 2 U 7/17 R)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 26.11.2015 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich gegen ein Urteil des Sozialgerichts Koblenz, in dem festgestellt wird, dass die Klägerin am 21.07.2012 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Die am geborene Klägerin war als Hauswirtschafterin der Familie R   auf dem Gut H  , L  , beschäftigt. Als solche war sie für alle im Haushalt  anfallenden Arbeiten, ua. Wäschepflege, Kochen, Dekoration etc., zuständig. Den ca. 24 km langen Weg von ihrer Wohnung bis zum Arbeitsplatz legte sie mit dem eigenen Pkw zurück, wofür sie etwa 30 Minuten benötigte.

Die Klägerin verfügte über elektronische Schlüssel zum Anwesen. Einer davon, ein Drücker für das Außentor des Gutshofs, wurde von ihr in der verschließbaren Mittelkonsole ihres Pkw aufbewahrt. Den weiteren Schlüssel für den Hauseingang der Dienstboten hatte sie an ihrem eigenen Schlüsselbund, an dem sie auch ihren Autoschlüssel angebracht hatte.

Vom 06.07. bis zum 21.07.2012 war die Klägerin auf einer Urlaubsreise. Der Rückflug fand vom Abend des 20.07.2012 bis in die frühen Morgenstunden des 21.07.2012 (Samstag) statt. Die Klägerin hatte ursprünglich geplant, vom Ankunftsort M erst nachmittags mit der Bahn nach M  zu fahren; der nächste Arbeitstag hätte am darauffolgenden Montag sein sollen. Nachdem die Klägerin am Donnerstag, dem 19.07.2012, einen Anruf des Gutverwalters der Familie R  erhalten hatte, wonach sie für eine erkrankte Kollegin einspringen  und bereits am Samstag, dem 21.07.2012, das Haus der Familie richten sollte, entschloss sie sich, bereits morgens aus M heimzureisen. Da sie am Freitagmorgen eine SMS von Frau R   bekommen hatte, in der diese um die Vorbereitung eines Essens für Sonntag bat, musste sie noch am 21.07.2012 erforderliche Einkäufe für die Familie erledigen und das Haus reinigen.

Nachdem sie von einem Bekannten vom Bahnhof M  abgeholt worden war,   ging die Klägerin kurz in ihr eigenes Haus, um etwas zu trinken, und anschließend zu ihren von ihrem Haus ca. 5m entfernt im  Nachbarhaus, K , wohnenden Eltern, um die dort deponierten Schlüssel zu holen und direkt zum Einkaufen und anschließend zum H zu fahren. Ihren Schlüsselbund hatte sie bei den Eltern abgegeben, um die Schlüssel zum Hofgut nicht während ihrer Abwesenheit längere Zeit im Haus herumliegen zu haben. Außerdem hatte sie ihren Pkw in der Garage der Eltern abgestellt, die sie mit diesen gemeinschaftlich nutzte und in der sich Gerätschaften der Eltern befanden. Ursprünglich hatte die Klägerin geplant, die Schlüssel im Laufe des Wochenendes bei ihren Eltern abzuholen, um dann am Montagmorgen zur Arbeit zu fahren.

Als sie am 21.07.2012 im Haus ihrer Eltern den Schlüssel an sich genommen hatte, wollte sie dieses durch die Haustür verlassen. Als sie sich bereits auf der Außenstufe vor der Haustür befand und den Türgriff in der Hand hatte, um die Tür zu schließen, stürzte sie. Einen Grund für den Sturz kann die Klägerin nicht angeben. Die anwesende Mutter der Klägerin hatte den Sturz selbst nicht beobachtet. Sie hörte ein Geräusch und einen Schrei ihrer Tochter und fand diese vor der Tür liegend. Die Klägerin wurde dann von ihrer Mutter ins Krankenhaus gebracht. Nach eigenen Angaben hatte sie sich den Arm verrenkt und versucht, diesen selbst wieder einzurenken. Der Arm sei im Krankenhaus in einer Binde fixiert worden.

Ein Arztbericht über die Vorstellung am 21.07.2012 existiert nicht. In einem Arztbrief des Dr. A , Klinikum L , über eine ambulante Behandlung am 14.08.2012 ist in der Anamnese ein Sturz der Klägerin und eine Bankart-Refixation vom 21.07.2012 erwähnt. Ergänzend ist von Seiten des Krankenhauses auf Nachfrage des Beklagten am 04.06.2013 angegeben worden, als Diagnose sei im System vermerkt: “V.a. stattgehabte Schulterluxation„. In der Folge wurden weitere Behandlungen, u.a. eine Operation an der Schulter, erforderlich.

Bei der Krankenkasse der Klägerin, der , sind Zeiten der Arbeitsunfähigkeit zwischen dem 17.02.2012 und dem 06.09.2012 nicht vermerkt. Das Krankenblatt des Hausarztes weist am 29.06.2012 eine Behandlung wegen Migräne und am 26.07.2012 eine solche wegen Schulterluxation aus.

Die Klägerin und ihre (...

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