Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungspflicht osteuropäischer Erntehelfer. Berufsmäßigkeit einer geringfügigen Beschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Berufsmäßigkeit einer geringfügigen Beschäftigung iS des § 8 Abs 1 SGB 4 aF liegt ua dann vor, wenn eingesetzte Saisonarbeitskräfte nach ihrer Lebensstellung regelmäßig eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben (ständige Rechtsprechung des BSG).

2. Für eine Differenzierung danach, ob die Aushilfstätigkeit während des bezahlten oder während des unbezahlten Urlaubs durchgeführt wird, gibt es keine sachliche Rechtfertigung.

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 30.8.2004 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.137,66 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte vom Kläger Sozialversicherungsbeiträge für den Einsatz osteuropäischer Erntehelfer nacherheben durfte.

Der Kläger betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem er die beigeladenen polnischen Arbeitnehmer als Saisonarbeitskräfte beschäftigt. Für die zeitlich begrenzte Beschäftigung nehmen die Beigeladenen, die in Polen jeweils in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis als Automechaniker und Kraftfahrer (Beigeladener zu 3) bzw. als Tischler (Beigeladener zu 4) stehen, bezahlten und unbezahlten Urlaub bei ihren polnischen Arbeitgebern. Der Kläger entrichtete für die Zeit der Beschäftigung während des bezahlten Urlaubs Beiträge zur Sozialversicherung.

Im Juni 2002 führte die Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung durch, die den Zeitraum vom 1.1.1998 bis zum 31.12.2001 umfasste. Die Betriebsprüfer beanstandeten die nicht erfolgte Beitragszahlung für die Beschäftigung während des unbezahlten Urlaubs im Jahr 1998. In diesem Jahr hatten die beiden Beigeladenen vom 24.8. bis zum 20.10. beim Kläger gearbeitet und in der Zeit des unbezahlten Urlaubs (24.8. - 20.9.1998) einen Bruttoarbeitsverdienst in Höhe von jeweils 2.563,45 DM erzielt.

Mit Bescheid vom 10.12.2002 forderte die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 1.137,66 Euro (568,83 Euro x 2) für die Beschäftigung der beiden Beigeladenen während der Zeit des unbezahlten Urlaubs im Jahr 1998 nach. Zur Begründung führte sie aus, die Versicherungspflicht der Beschäftigten sei nach den in § 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) genannten Kriterien zu beurteilen. Nach Abs. 1 Nr. 2 dieser Vorschrift werde eine Beschäftigung nur dann versicherungsfrei ausgeübt, wenn sie innerhalb eines Jahres nicht mehr als zwei Monate oder fünfzig Arbeitstage betrage und nicht berufsmäßig ausgeübt werde. Bei einer zeitlich begrenzten Beschäftigung, die sowohl unbezahlten als auch bezahlten Urlaub umfasse, sei im Sinne einer einheitlichen Betrachtungsweise von einer berufsmäßig ausgeübten Tätigkeit auszugehen. Für den gesamten Zeitraum sei daher eine Versicherungspflicht anzunehmen. Dabei verwies sie auf ein Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 7.5.1998.

Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb nach Auffassung der Spitzenverbände Berufsmäßigkeit deshalb vorliegen solle, weil sich an die Zeit des unbezahlten Erholungsurlaubes bezahlter Urlaub anschließe. Die Beitragserhebung verstoße zudem gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Er habe darauf vertraut, dass der Sachverhalt von der Verwaltung so behandelt werde wie in der Vergangenheit. Über die Änderung sei er nicht informiert worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.4.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Berufsmäßigkeit müsse einheitlich für den gesamten Zeitraum der kurzfristigen Beschäftigung beurteilt werden. Diese Rechtsauffassung sei durch das Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Versicherungsträger lediglich klargestellt worden. Auf ein schutzwürdiges Vertrauen könne sich der Kläger nicht berufen.

Hiergegen hat der Kläger am 21.5.2003 beim Sozialgericht (SG) Speyer Klage erhoben.

Das SG hat die Bundesagentur für Arbeit, die AOK L und die polnischen Saisonarbeitskräfte (L und B L) zum Verfahren beigeladen und die beigeladenen Saisonarbeitnehmer in der mündlichen Verhandlung zu ihren Beschäftigungen in Polen angehört.

Der Kläger hat vorgetragen, das Besprechungsergebnis der Sozialversicherungsträger aus dem Jahr 1998 gebe lediglich die Rechtsauffassung der Spitzenverbände wieder, finde jedoch in der Rechtsprechung und im Gesetz keine Grundlage. Im Übrigen sei es ihm zum Zeitpunkt der hier streitigen Beschäftigung nicht bekannt gewesen. Eine erste Veröffentlichung in den Bauern- und Winzerzeitungen sei erst im Jahr 2000 erfolgt. Er sei mit einer Nachforderung konfrontiert worden, die im Widerspruch zum vorangegangenen Verhalten der Verwaltung stehe, auf dessen Rechtmäßigkeit er vertraut habe und auch habe vertrauen dürfen.

Mit Urteil vom 30.8.2004 hat das ...

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